Baltimore – Die Kombination der Tumormarker CA-125 und HE4 mit dem Nachweis von zellfreien DNA-Fragmenten des Tumors im Blut könnte ein Screening auf ein Ovarialkarzinom ermöglichen. Ein internationales Forscherteam stellt ihren Ansatz in Cancer Discovery vor.
In Deutschland erkrankt eine von 72 Frauen im Verlauf ihres Lebens an einem Ovarialkarzinom. Der zumeist aggressive Tumor ist bei Frauen für 3,1 % aller bösartigen Neubildungen, aber 5,2 % aller Krebssterbefälle verantwortlich.
Anders als beim Mammakarzinom gibt es bisher keine effektive Früherkennung. Der Nachweis der Tumormarker CA-125 („cancer antigen 125“) oder/und HE4 („Human Epididymal Protein 4“) ermöglicht manchmal eine Früherkennung. Für ein bevölkerungsweites Screening sind die beiden Tumormarker jedoch nicht zuverlässig genug.
Eine weitere Methode zur Früherkennung ist der Nachweis von zellfreier DNA. Sie kann aus zerfallenden Tumorzellen, aber auch aus gesunden Zellen des Ovars stammen. Die Kunst besteht darin, die „Liquid Biopsy“ auf die Tumor-DNA zu beschränken.
US-Forscher haben dazu eine Variante entwickelt, die sie als „Fragmentomics“ bezeichnen. Dabei wird nicht einfach nach Tumor-spezifischen Genen gesucht. Es werden vielmehr kurze Abschnitte der DNA-Fragmente sequenziert und die Daten dann mit Hilfe einer künstlichen Intelligenz analysiert. Die Idee ist, dass die DNA beim Zerfall von Krebszellen an anderen Stellen auseinander bricht als bei gesunden Zellen.
Ein Team um Victor Velculescu von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore hat die „Fragmentomics“ mit den beiden konventionellen Tumormarkern kombiniert.
Den DELFI Pro-Test („DNA Evaluation of Fragments for early Interception“) haben sie zunächst retrospektiv in einer ersten Kohorte an Frauen aus den Niederlanden und Dänemark erprobt: 94 Patientinnen hatten ein Ovarialkarzinom, 203 Patientinnen gutartige Tumore und 182 Frauen waren ohne Tumore.
In Kombination mit CA-125 und HE4 erzielte DELPHI-Pro eine bessere Früherkennung als CA-125 oder HE4 allein. Die Sensitivität für das Frühstadium I, in dem in der Regel eine Heilung möglich ist (5-Jahres-Überlebensrate 93 %), betrug 72 % gegenüber 34 % bei der alleinigen Verwendung von CA-125 und 28 % bei der alleinigen HE4-Verwendung (bei einer Spezifität von jeweils über 99%).
Diese Ergebnisse wurden in einer Validierungsstudi an US-Frauen bestätigt: In dieser ebenfalls retrospektiven Kohorte hatten 40 Patientinnen ein Ovarialkarzinom, 50 Patientinnen gutartige Tumore und 22 Frauen waren ohne Befund an den Ovarien.
Selbst in dieser kleineren Stichprobe erzielte der Test ähnliche Erfolgsraten: Die Sensitivität betrug 71 % für Tumore im Stadium 1. CA-125 erkannte dagegen nur 57 % der Tumore und HE4 nur 36 % der Tumore (bei einen „Cut off“-Wert, der einer Spezifität von 100 % entsprach).
Bei einem verdächtigen Ultraschallbefund konnten gutartige Läsionen von einem Krebs mit einem AUC-Wert („area under the curve“) von 0,88 auf der ROC-Kurve („receiver operating characteristic“) unterschieden werden. Die ROC-Kurve kombiniert Sensitivität und Spezifität. Ein AUC-Wert von 1,0 wäre eine sichere Diagnose, ein Wert von 0,5 ein reiner Zufall.
In einer Computersimulation erzielte das Screening einen positiven Vorhersagewert (PPV) von 23,6 % gegenüber 9,17 % oder weniger bei alleiniger Verwendung der Tumormarker. Angesichts der geringen Prävalenz des Ovarialkarzinoms und der Risiken einer explorativen Operation wird für ein Screening ein PPV von mehr als 10 % gefordert. DELFI-Pro würde dieses Kriterium erfüllen.
Retrospektive Studien und eine Computersimulation können jedoch keine größere klinische Feldstudie ersetzen. Dort müsste gezeigt werden, dass DELFI-Pro und die sich eventuell anschließende Operation in der Lage wäre, die Sterberate am Ovarialkarzinom zu senken. Von einem solchen Projekt sind die Forscher noch weit entfernt.
Der nächste Schritt sind weitere Kohortenstudien, in denen DELFI-PRO prospektiv an einer größeren Zahl von Frauen getestet wird. Das Niederländische Krebsforschungsinstitut (NKI) hat eine derartige Studie an vier Zentren mit 450 Teilnehmerinnen begonnen. Erste Ergebnisse könnten noch in diesem Jahr vorliegen.
Quelle: rme/aerzteblatt.de