Der Nährstoff Cholin ist essenziell für die Neurotransmitter-Synthese, den Aufbau von Zellmembranen, die Aufrechterhaltung einer gesunden Leberfunktion und die Metabolisierung von Homocystein. Während der Schwangerschaft steigt der Cholinbedarf insbesondere wegen der fetalen Gehirn- und Leberentwicklung um 20–30 %. Trotz internationaler Empfehlungen zeigen aktuelle Daten jedoch, dass die Mehrheit der Schwangeren und Stillenden die empfohlenen Cholinmengen nicht erreicht. Dies kann erhebliche Auswirkungen auf die mütterliche und kindliche Gesundheit haben.
Cholinmangel und seine Folgen
Meta-Analysen und Reviews belegen, dass eine unzureichende Cholinaufnahme mit einem erhöhten Risiko für Entwicklungsstörungen, kognitive Defizite und Neuralrohrdefekte (Neural Tube Defect, NTD) beim Kind assoziiert ist. Auch eine Frühgeburt ist wahrscheinlicher. Ein Cholinmangel bedroht auch die Gesundheit der Mutter, deren Risiko für Gestationsdiabetes, Präeklampsie und Fettlebererkrankungen erheblich ansteigt.
Blinder Fleck in der Praxis
Aktuelle Erhebungen zeigen, dass die mittlere Cholinaufnahme bei schwangeren Frauen in Europa deutlich unter den Empfehlungen liegt (z. B. Deutschland: 260 mg/Tag, empfohlen: 480 mg/Tag laut EFSA). Besonders bei überwiegend pflanzlicher Ernährung besteht ein Unterversorgungs-Risiko, denn Cholin ist vor allem in Eiern, Fleisch und Fisch enthalten. Supplemente können Vegetarierinnen und Veganerinnen helfen, Versorgungslücken zu schließen.
Mit Blick auf den anhaltenden Trend zu vegetarischer und insbesondere veganer Ernährung in der Bevölkerung ist davon auszugehen, dass der Anteil von Personen mit unzureichender Cholinaufnahme künftig weiter ansteigen wird. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, das Bewusstsein für eine ausreichende Cholinversorgung insbesondere bei Schwangeren und Frauen mit Kinderwunsch zu schärfen und gegebenenfalls gezielte ernährungsmedizinische Maßnahmen zu ergreifen.
Cholin in die gynäkologische Beratung integrieren
Gynäkologinnen und Gynäkologen sollten die Bedeutung von Cholin in der Beratung von schwangeren und stillenden Frauen stärker berücksichtigen. Neben der klassischen Folsäureempfehlung sollte Cholin als kritischer Nährstoff für die fetale Entwicklung in die Routinen der Ernährungsberatung integriert werden. Die Anpassung von Supplementen und die gezielte Ernährungslenkung sind zentrale Maßnahmen, um die Versorgungslücke zu schließen und Risiken für Mutter und Kind zu vorzubeugen.
Julina Pletziger
Originalpublikation: Derbyshire EJ. Choline in Pregnancy and Lactation: Essential Knowledge for Clinical Practice. Nutrients 2025; 17(9): 1558. https://doi.org/10.3390/nu17091558
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