Rote-Hand-Brief zu Menopause-Präparat Fezolinetant

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Medizinische Pillen in Weiß, Beige und Gelb, angeordnet als Ausrufezeichen auf weißem Hintergrund.
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In Deutschland wurde ein Rote-Hand-Brief herausgegeben, der auf die Warnungen der FDA und EMA folgt. Er enthält Informationen über das Risiko von Leberschäden durch das Medikament Veoza® (Fezolinetant). Der Brief gibt Hinweise darauf, worauf Ärzte und Patienten jetzt besonders achten sollten.

Zusammenfassung des Rote-Hand-Briefs:

  • Bei Anwendung traten schwerwiegende Leberschädigungen, assoziiert mit erhöhten Leberwerten und Symptomen, wie beispielsweise Ikterus, dunkler Urin und heller Stuhl auf.
  • Daraus folgt eine potenzielle Beeinträchtigung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses bei ansonsten gesunden Frauen.
  • Patientinnen müssen angewiesen werden, Anzeichen oder Symptome von Leberschädigung umgehend den behandelnden Ärzten mitzuteilen.
  • Als Maßnahme müssen Leberfunktionstests vor der Behandlung und monatlich in den ersten drei Monaten, anschließend nach klinischem Ermessen und bei Auftreten von Symptomen, durchgeführt werden. Folgend sollte die Kontrolle fortgesetzt werden, bis sich die Leberwerte normalisiert haben.

Fezolinetant, Handelsname Veoza®, ist ein sogenannter Neurokinin-3-(NK3-)Rezeptor-Antagonist, der zur hormonfreien Behandlung von Menopause-assoziierten, moderaten bis schweren vasomotorischen Symptomen („Hitzewallungen“) eingesetzt wird [1]. Am 12. September 2024 hatte die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA vor dem Auftreten von „seltenen, aber schweren“ Leberschädigungen gewarnt, die unter einer Behandlung mit Fezolinetant auftreten können [2]. Am 20. November 2024 war die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) gefolgt [3], deren Empfehlungen jetzt in Abstimmung mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Deutschland zu einem Rote-Hand-Brief des Zulassungsinhabers (Astellas Pharma GmbH) geführt haben [4].

Was müssen Behandelnde und Behandelte nun beachten?

Im Rote-Hand-Brief heißt es unter anderem im Wortlaut:

  • Bei der Anwendung von Fezolinetant sind schwerwiegende* Leberschädigungen aufgetreten.
  • Vor Einleitung der Behandlung mit Fezolinetant sind Leberfunktionstests durchzuführen. Die Behandlung darf nicht begonnen werden, wenn die Serumwerte der Alaninaminotransferase (ALT) oder der Aspartataminotransferase (AST) ≥ 2× der oberen Normgrenze (ULN) oder das Gesamtbilirubin ≥ 2× ULN erhöht ist.
  • Leberfunktionstests müssen während der ersten drei Monate der Behandlung monatlich und anschließend nach klinischem Ermessen durchgeführt werden. Leberfunktionstests müssen ebenfalls durchgeführt werden, wenn Symptome auftreten, die auf eine Leberschädigung hinweisen.
  • In den folgenden Situationen ist die Behandlung mit Fezolinetant abzusetzen:
    • Erhöhung einer Transaminase auf ≥ 3× ULN mit: Gesamtbilirubin > 2× ULN ODER Symptome einer Leberschädigung;
    • Erhöhung einer Transaminase auf > 5× ULN.
  • Die Kontrolle der Leberfunktion sollte so lange fortgesetzt werden, bis sich die Leberwerte normalisiert haben.
  • Patientinnen müssen angewiesen werden, sich umgehend an eine Ärztin/einen Arzt zu wenden, wenn sie Anzeichen oder Symptome bemerken, die auf eine Leberschädigung hinweisen, wie z. B. Fatigue, Pruritus, Ikterus, dunkler Urin, heller Stuhl, Übelkeit, Erbrechen, verminderter Appetit und/oder Abdominalschmerz.

*Als schwerwiegend werden im Rote-Hand-Brief Fälle bezeichnet, bei denen ALT und/oder AST > 10× ULN erhöht waren und gleichzeitig auch Bilirubin und/oder die alkalische Phosphatase (AP) erhöht waren. In manchen Fällen seien Leberwerterhöhungen zudem mit Anzeichen oder Symptomen assoziiert gewesen, „die auf eine Leberschädigung hinweisen, wie z. B. Fatigue, Pruritus, Ikterus, dunkler Urin, heller Stuhl, Übelkeit, Erbrechen, verminderter Appetit und/oder Abdominalschmerz“.

Hintergründe zur Warnung

Dass es unter einer Behandlung mit Fezolinetant (und anderen NK3-Rezeptor-Antagonisten) zu Leberwerterhöhungen kommen kann, war bereits aus einschlägigen, randomisierten kontrollierten klinischen Studien (RCTs) bekannt (vgl. [5–8]). Von Leberschädigungen war dort aber bisher eher nicht die Rede. So schreiben Forscherinnen und Forscher um Risa Kagan von der University of California, San Francisco, CA/USA, zu den Ergebnissen einer gepoolten Analyse von drei RCTs zu Fezolinetant: „Erhöhungen der Lebertransaminasen traten bei 1,5–2,3 % der mit Fezolinetant behandelten Teilnehmerinnen auf, waren typischerweise asymptomatisch und vorübergehend, lösten sich während der Behandlung oder nach Absetzen auf, ohne Hinweise auf schwere medikamenteninduzierte Leberschäden (Hys Regel).“ Der Transparenz halber: An diesem Review waren auch Mitarbeitende des Zulassungsinhabers (Astellas) beteiligt.

Die Hinweise auf schwerwiegende Leberwerterhöhungen bzw. Leberschädigungen hatten sich laut EMA und Rote-Hand-Brief nach der Zulassung ergeben und stammen (auch) aus Berichten über unerwünschte Arzneimittelwirkungen [3, 4]. Dass sich Signale für seltene, aber schwere Toxizitäten erst nach der Zulassung ergeben, ist nicht ungewöhnlich. Zum einen steigt die Wahrscheinlichkeit, dass seltene Nebenwirkungen mit der wachsenden Anzahl an Behandelten (und einer längeren Behandlungsdauer) aufgedeckt werden; und zum anderen sind in RCTs behandelte Personen häufig gesünder als Real-World-Populationen [9–11], was Einfluss auf die Manifestation von Toxizitäten haben kann.

Wie groß ist das Risiko?

Wie hoch das Risiko für Leberschäden unter Fezolinetant genau ausfällt, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. So heißt es im Rote-Hand-Brief: „Arzneimittelbedingte Leberschädigung“ werde als unerwünschte Arzneimittelwirkung mit der Häufigkeit „nicht bekannt“ in die Fachinformation und die Packungsbeilage aufgenommen, „da die Häufigkeit anhand der bereitgestellten Daten nicht berechnet werden kann“. Weil Fezolinetant zur Behandlung von Symptomen bei ansonsten gesunden Frauen indiziert sei, könne das Risiko einer schwerwiegenden Leberschädigung das Nutzen-Risiko-Verhältnis aber erheblich beeinflussen. Angehörige von Gesundheitsberufen werden im Rote-Hand-Brief aufgefordert, „jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung dem örtlichen Vertreter des Zulassungsinhabers zu melden“.

Was sagt die Leitlinie zu NK3-Rezeptor-Antagonisten?

Die S3-Leitlinie „Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen“ (Version 2.3) ist mit Ende 2024 abgelaufen und wird zurzeit überarbeitet [12]. Sie hatte bis dato aber ohnehin noch keinerlei Informationen bzw. Empfehlungen zum Einsatz von NK3-Rezeptor-Antagonisten bei vasomotorischen Symptomen (VMS) enthalten, da Fezolinetant erst im Dezember 2023 zugelassen wurde. Man darf gespannt sein, ob sich das mit der nächsten Version (2.4) ändern wird.

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) „sieht in Fezolinetant grundsätzlich das Potenzial für eine neue Therapieoption [zur Behandlung von VMS] bei Frauen, für die eine Hormonersatztherapie (HRT) aus medizinischen oder persönlichen Gründen nicht infrage kommt“, wie es in einer Stellungnahme zur frühen Nutzenbewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) heißt, die die AkdÄ im Mai 2024 verabschiedet hat [13]. Die AkdÄ hält es demnach allerdings für „aktuell nicht ausreichend belegt, dass Fezolinetant für diese Frauen ein besseres Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweist als beobachtendes Abwarten“ [13].

Die AkdÄ bezieht sich in diesem Kontext unter anderem auf Ergebnisse verschiedener RCTs, für die Astellas anlässlich der IQWiG-Nutzenbewertung eine Metaanalyse vorgelegt hatte. Unter Fezolinetant ging demnach zum Beispiel die Anzahl an moderaten bis schweren VMS von elf auf im Mittel vier Episoden pro Tag zurück, während es unter Placebo sechs anstelle von elf Episoden pro Tag waren [13]. „Bei einem lediglich geringfügigen Behandlungsvorteil gegenüber Placebo haben auch seltene Risiken eine hohe Bedeutung“, schreibt die AkdÄ weiter und fordert zusätzliche Studien, auch mit einem längeren Follow-up.


Quellen: springermedizin.de, gelbe-liste.de

Literatur:

  1. https://www.ema.europa.eu/de/documents/product-information/veoza-epar-product-information_de.pdf
  2. https://www.fda.gov/drugs/drug-safety-and-availability/fda-adds-warning-about-rare-occurrence-serious-liver-injury-use-veozah-fezolinetant-hot-flashes-due
  3. https://www.ema.europa.eu/en/news/meeting-highlights-pharmacovigilance-risk-assessment-committee-prac-25-28-november-2024
  4. https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RHB/2025/rhb-fezolinetant.pdf
  5. Schaudig K et al. Efficacy and safety of fezolinetant for moderate-severe vasomotor symptoms associated with menopause in individuals unsuitable for hormone therapy: phase 3b randomised controlled trial. BMJ. 2024; https://doi.org/10.1136/bmj-2024-079525#
  6. Elnaga AAA et al. Effectiveness and safety of fezolinetant in alleviating vasomotor symptoms linked to Menopause.: A systematic review and Meta-Analysis. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol. 2024:297:142-152; https://doi.org/10.1016/j.ejogrb.2024.04.017
  7. Kagan R et al. Safety of Fezolinetant for Treatment of Moderate to Severe Vasomotor Symptoms Due to Menopause: Pooled Analysis of Three Randomized Phase 3 Studies. Adv Ther. 2024; https://doi.org/10.1007/s12325-024-03073-8
  8. prague JK et al. Neurokinin 3 receptor antagonism as a novel treatment for menopausal hot flushes: a phase 2, randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet. 2017;389(10081):1809-1820; https://doi.org/10.1016/s0140-6736(17)30823-1
  9. Farcaş A et al. New safety signals assessed by the Pharmacovigilance Risk Assessment Committee at EU level in 2014-2017. Expert Rev Clin Pharmacol. 2018;11(10):1045-1051; https://doi.org/10.1080/17512433.2018.1526676
  10. Singh S, Loke YK. Drug safety assessment in clinical trials: methodological challenges and opportunities. Trials. 2012:13:138; https://doi.org/10.1186/1745-6215-13-138
  11. Kennedy-Martin T et al. A literature review on the representativeness of randomized controlled trial samples and implications for the external validity of trial results. Trials. 2015:16:495; https://doi.org/10.1186/s13063-015-1023-4
  12. S3-Leitlinie Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen. Version 2.3
    https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/015-062
  13. Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zur frühen Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V – Fezolinetant – Schwere vasomotorische Symptome (VMS), mit der Menopause assoziiert; https://www.akdae.de/fileadmin/user_upload/akdae/Stellungnahmen/AMNOG/A-Z/Fezolinetant/20240523-Fezolinetant.pdf

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