Nausea und Emesis in der Gravidität

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Schwangere Frau in der Küche, Hand auf Bauch und Mund als Ausdruck von Übelkeit.
Quelle: © nenetus_stock.adobe.com

E. Schleußner, P.-A. Regidor

Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft (NVP) sind weit verbreitete Beschwerden, die bis zu 85 % der schwangeren Frauen betreffen und erhebliche physische, emotionale und finanzielle Folgen haben. Die Ursachen sind multifaktoriell und umfassen genetische, endokrine und gastrointestinale Faktoren. Eine effektive Behandlung ist entscheidend, um Komplikationen wie Hyperemesis gravidarum zu vermeiden.

Einleitung

Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft (NVP) gehört zu den häufigsten Erkrankungen, mit denen Frauen in den frühen Stadien der Schwangerschaft konfrontiert sind. Sie kann bis zu 85 % der schwangeren Frauen betreffen und stellt somit ein erhebliches Problem für die öffentliche Gesundheit dar. NVP hat erhebliche negative physische, emotionale und finanzielle Folgen. Trotz ihrer Prävalenz ist die Pathogenese nach wie vor schwer fassbar. Es wurden nur wenige Leitlinien veröffentlicht, es gibt jedoch mehrere Interventionen zur symptomatischen Behandlung von NVP [1, 2].

Ätiologie und prädisponierende Faktoren für die 
Entwicklung von NVP

Die NVP tritt in der Regel in der ersten Hälfte der Schwangerschaft auf, wobei die Symptome meist in Schwangerschaftswoche (SSW) vier bis sechs beginnen und in SSW zehn ihren Höhepunkt erreichen. Bei den meisten schwangeren Frauen verschwindet die NVP in der 20. Woche [3–6]. Bei etwa 10 % der Schwangeren bleiben die Symptome jedoch während der gesamten Schwangerschaft bestehen [7–10].


Die zu Grunde liegende Pathophysiologie der NVP ist noch nicht geklärt, aber es wird angenommen, dass sie multifaktoriell ist. Es wurde eine Kombination von genetischen, endokrinen und gastrointestinalen Faktoren diskutiert, einschließlich familiärer oder persönlicher Vorgeschichte, erhöhter Plazentamasse sowie persönlichem Östrogen- und Progesteronspiegel. Auch der Wachstums-/Differenzierungsfaktor (GDF15), Schilddrüsenhormone, Serotonin und Infektionen mit H. pylori (bei Hyperemesis gravidarum) sind im Gespräch [11–14].

Behandlung von NVP

Eine wirksame Behandlung von NVP ist auf Grund ihrer erheblichen Auswirkungen auf das Leben schwangerer Frauen von großer Bedeutung. Darüber hinaus ist es entscheidend, die Behandlung unverzüglich zu verabreichen, da eine verzögerte Intervention zu Schwierigkeiten bei der Behandlung der Symptome führen kann [12]. Eine frühzeitige Behandlung der NVP-Symptome wird empfohlen, um ein Fortschreiten zu einer Hyperemesis gravidarum zu verhindern und Komplikationen wie Krankenhausaufenthalte zu vermeiden [12].


Bei Frauen mit milder NVP können Änderungen des Lebensstils und der Ernährung die Symptome wirksam lindern [12, 13, 15]. Aktuell gibt es jedoch keine randomisierten kontrollierten Studien, die die Auswirkungen von Ernährungs- und Lebensstiländerungen auf NVP bewerten. Die derzeit verfügbaren Studien konzentrieren sich vor allem auf die persönlichen Erfahrungen von Frauen mit konservativen Behandlungsmethoden. Wenn die NVP-Symptome anhalten oder die Schwangeren an mittelschwerer bis schwerer NVP leiden, so wird meist empfohlen, eine pharmakologische Behandlung in Betracht zu ziehen [15]. Obwohl verschiedene Klassen von Antiemetika Wirksamkeit bei der Behandlung von Übelkeit und Erbrechen im Zusammenhang mit Chemotherapie, Reisekrankheit, Magen-Darm-Erkrankungen oder zyklischem Erbrechen gezeigt haben, bleiben die Daten zu ihrer mütterlichen und fetalen Sicherheit während der Schwangerschaft spärlich [16, 17].

Bisher gibt es nur wenige veröffentlichte Leitlinien und Behandlungsalgorithmen für NVP. Die Empfehlungen des American Congress of Obstetricians and Gynaecologists (ACOG) [12], der Association of Professors of Gynecology and Obstetrics (APGO) [13], des Royal College of Obstetricians and Gynaecologists (RCOG) [18] und der Society of Obstetricians and Gynaecologists of Canada (SOGC) [16] geben erste Hinweise zu dieser Thematik und zur Sicherheit vorhandener Medikamente [10–12, 15, 18–20].

Management von NVP mit 
der Kombination aus Doxylamin und Pyridoxin

Mehrere H1-Rezeptorantagonisten, wie z. B. Doxylamin, haben Sicherheit und Wirksamkeit bei der Behandlung von NVP gezeigt. Diese Medikamente wirken, indem sie in den vestibulären Übelkeitsweg eingreifen, was schließlich die Signalübertragung im Brechzentrum stört. Darüber hinaus hat sich Pyridoxin (Vitamin B6) bei der Behandlung von NVP als wirksam erwiesen. Es wurde festgestellt, dass die Behandlung mit der Kombination von Doxylamin und Pyridoxin die Symptome bei Frauen mit NVP signifikant verbessert [21]. Umfangreiche Forschungen, darunter zwei Metaanalysen mit über 168.000 Patientinnen und 18.000 Expositionen, zeigten, dass die Kombinationstherapie von 10 mg Doxylamin und 10 mg Pyridoxin sicher und wirksam ist, ohne das Risiko schädlicher Auswirkungen auf den Fötus zu erhöhen [20–22]. Basierend auf Daten, die in einer doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten Phase-III-Studie gewonnen wurden, genehmigte die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) im April 2013 die verzögerte Freisetzungsformulierung Doxylamin/Pyridoxin (Diclegis®) [21]. Diese enthält 10 mg Doxylaminsuccinat und 10 mg Pyridoxinhydrochlorid.

Die ideale Dosierung liegt nach einer Untersuchung von Boskovi et al. bei der Einnahme von insgesamt 40 mg je Wirkstoff und Tag. Frauen, die mit 20 mg pro Tag weiterhin unter NVP litten, zeigten eine deutliche Besserung ihrer Symptome nach der Erhöhung der täglichen Dosis auf 40 mg. Die Untersuchung legt auch nahe, dass offensichtlich viele Patientinnen unterdosiert behandelt worden sind [23].

Neuentwicklung

Eine Dual-Release-Formulierung der Kombination aus Doxylamin und Pyridoxin (D/P) wurde im November 2016 von der FDA für die Behandlung von NVP zugelassen, wenn die konservative Behandlung versagt. Sie wurde im April 2023 in Europa zugelassen und ist jetzt auch in Deutschland erhältlich.
Die beschriebene Dual-Release-Formulierung zeichnet sich durch die Kombination aus einer sofortigen sowie einer verzögerten Freisetzungswirkung von Doxylamin und Pyridoxin aus (▶ Abb. 1, 2). Diese doppelte Funktion kann zu einer deutlichen Verbesserung im Management von NVP führen.

Abb. 1: Zeitliches Profil der durchschnittlichen Plasmakonzentration (±SD) von Doxylamin an Tag eins (a) und Tag elf (b) der Einnahme.
Abb. 2: Zeitliches Profil der durchschnittlichen Plasmakonzentration (±SD) von Pyridoxal-5-Phosphat an Tag eins (a) und Tag elf (b) der Einnahme.


Die Dual-Release-Kombination aus Doxylamin und Pyridoxin ist aus einer mehrschichtigen Tablette mit verlängerter Freisetzung aufgebaut. Diese besteht aus einem magensaftresistenten Kern, der 10 mg Doxylaminsuccinat und 10 mg Pyridoxinhydrochlorid enthält, sowie 
einer Sofortfreisetzungsbeschichtung aus 10 mg Doxylaminsuccinat und 10 mg Pyridoxinhydrochlorid. Sie enthält insgesamt also 20 mg Doxylaminsuccinat und 20 mg Pyridoxinhydrochlorid. Die 10 mg Doxylaminsuccinat und 10 mg Pyridoxinhydrochlorid aus den äußeren Schichten werden nach Tabletteneinnahme schnell abgegeben, gefolgt von der verzögerten Freisetzung von weiteren 10 mg jedes Wirkstoffs nach etwa sechs bis zwölf Stunden. Der Aufbau dient einer möglichst kontinuierlichen pharmakotherapeutischen Wirkung [24, 25].

Dosierung

Da die Kombination mit doppelter Freisetzung bereits die Hälfte der empfohlenen idealen Tagesdosis von Doxylamin und Pyridoxin enthält, dürfte eine Verringerung der Tabletteneinnahme auf eine bis zwei Tabletten pro Tag in Verbindung mit dem vereinfachten Einnahmeschema die Adhärenz der Patientinnen (verglichen mit bestehenden D/P-Formulierungen) verbessern. Die Schwangere beginnt mit einer Tablette zur Nacht. Wenn die NVP nach drei Tagen weiter anhält, sollte eine zusätzliche Tablette am Morgen des dritten Tages eingenommen werden [25].

Pharmakokinetik

Die maximale Plasmakonzentration (Tmax) von Doxylamin und Pyridoxal-5-Phosphat in der neuen Dual-Release-Formulierung wird bei täglicher Einnahme von zwei Tabletten 3,5 h bzw. 15 h nach der jeweiligen Einnahme erreicht. Bei täglicher Einnahme von einer Tablette wird die Tmax nach 4,5 h bzw. 9 h erreicht. Darüber hinaus ermöglicht die Kombination mit verzögerter Freisetzung ausreichende Mengen an Doxylamin und dem aktiven Metaboliten Pyridoxal-5-Phosphat im systemischen Kreislauf, was zu einer Linderung der allmorgendlichen Symptome führen kann [25].

Vorteile der Dual-
Release-Formulierung

Die Gründe für die Neuformulierung der Kombination aus Doxyl­amin und Pyridoxin mit verzögerter Freisetzung ergeben sich aus verschiedenen klinischen Perspektiven [25, 26]:

  1. Die Kombination einer schnell wirkenden Form von Doxylamin/Pyridoxin und einer verzögerten Freisetzung führt zu einer sofortigen antiemetischen Wirkung. Die effektiven Plasmaspiegel von 40 ng/ml für Doxylamin und 12 ng/ml für Pyridoxin werden 1,5 h bzw. 1 h nach der Verabreichung erreicht (▶ Abb. 1, 2). Dies behebt eine der Einschränkungen der vorherigen Formulierung.
  2. Die neue Formulierung hat die optimale Dosierungshäufigkeit von dreimal täglich (morgens, mittags und abends) auf zweimal täglich (morgens und abends) reduziert, wodurch es bequemer und einfacher wird, das vorgeschriebene Dosierungsschema zu befolgen.

Daher kann die Dual-Release-Formulierung die Lebensqualität von schwangeren Frauen verbessern, die an NVP leiden. Darüber hinaus haben große epidemiologische Studien keine Teratogenität und kein erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen auf das Ungeborene gezeigt.

Fazit

Die Einführung der Dual-Release-Formulierung von Doxylamin und Pyridoxin stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Behandlung von Schwangeren mit NVP dar. Sie bietet eine zügige (etwa eine Stunde) und anhaltende Linderung der Symptome. Diese Formulierung kann die Lebensqualität von schwangeren Frauen, die an NVP leiden, erheblich verbessern und ihnen eine wirksame und bequeme Behandlungsoption bieten.

Literatur

Weiterlesen:

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