Mitochondrien-Ersatztherapie in der Praxis

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Mikroskopische Darstellung zweier blau leuchtender Mitochondrien mit orangefarbenen Punkten im Inneren auf rosa Hintergrund.
Quelle: Dr_Microbe - stock.adobe.com

Die Mitochondrien-Ersatztherapie ermöglicht Frauen mit mitochondrialen Erbkrankheiten, gesunde Kinder zu bekommen. Man kombiniert die elterlichen Kern-DNA mit mitochondrialer DNA einer Spendereizelle. Im Vereinigten Königreich wurden bereits acht Kinder mit dieser Methode geboren, die sich bisher normal entwickeln. Experten wie Prof. Larsson, Stockholm, bezeichnen die Therapie als „Durchbruch in der mitochondrialen Medizin“. Die Technik könnte auch in Deutschland betroffenen Familien neue Hoffnung geben, wie Prof. Deschauer, München, betont. Die Langzeitbeobachtung der Kinder wird weitere wichtige Erkenntnisse zur Sicherheit und Wirksamkeit dieser innovativen Reproduktionsmethode liefern.

Mitochondrien-Ersatztherapie ermöglicht gesunde Kinder trotz mütterlicher Erbkrankheiten

Die Mitochondrien-Ersatztherapie (MRT) ist beim Menschen erfolgreich anwendbar. Acht Kinder mit bisher unauffälliger klinischer Entwicklung wurden im Vereinigten Königreich nach dieser Zeugung geboren. Die Ergebnisse der MRT von Forschungsgruppen des Newcastle Fertility Centers, der Newcastle University sowie der Monash University in Melbourne wurden in zwei Publikationen im „The New England Journal of Medicine“ veröffentlicht (Hyslop LA et al., 2025, McFarland R et al., 2025).

Kombination des Erbguts von drei Personen

Bei dieser speziellen Form der in-vitro-Fertilisation (IVF) wurde die Kern-DNA von Vater und Mutter mit der mitochondrialen DNA einer Spenderinneneizelle kombiniert. Mutationen im Erbgut der mütterlichen Mitochondrien hätten später schwere Erkrankungen der Kinder auslösen können. Dies wird durch die Methode vermieden, während die DNA von Vater und Mutter im Zellkern weiterhin den größten Anteil der Erbinformation ausmacht.

Das Vereinigte Königreich hat 2015 als erstes Land die klinische Anwendung der MRT gesetzlich verankert, um schwere mitochondriale Erbkrankheiten bei Nachkommen zu verhindern. Grundlage waren wissenschaftliche Reviews der Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) [1, 2]. Das Gesetz schreibt eine Einzelfallbewertung durch die HFEA vor.

Erfolgreiche Anwendung bei verschiedenen Patientinnengruppen

Die aktuellen Forschungsarbeiten fassen die bisherigen Erkenntnisse zusammen: 61 Frauen mit mitochondrialen Mutationen wurden zwei Arten der IVF angeboten, um das Risiko für schwere Erbkrankheiten zu verringern. Die Behandlungswahl hing davon ab, ob alle Mitochondrien der Frauen mutiert waren (Homoplasmie) oder nur ein Teil (Heteroplasmie).

22 Frauen mit Homoplasmie oder hoher Heteroplasmie erhielten die MRT mittels Vorkerntransfers. Dabei wurden zunächst sowohl die mütterliche als auch die Spenderinneneizelle mit Spermien (des Vaters oder eines Spenders) befruchtet. Anschließend wurden die beiden Vorkerne aus der mütterlichen Eizelle in die entkernte Spenderinneneizelle übertragen. Acht Kinder wurden so geboren. Fünf hatten keine nachweisbaren mutierten Mitochondrien. Bei drei Kindern wurden Heteroplasmieraten von fünf, zwölf und 16 Prozent gemessen – laut Studie allesamt unter dem Grenzwert für eine klinische Symptomentwicklung.

Bis heute entwickeln sich alle acht Kinder normal. Ein Kind zeigte hohe Blutfettwerte und Herzrhythmusstörungen, die erfolgreich behandelt wurden. Ein anderes Kind litt unter epileptischen Anfällen, die später nicht mehr auftraten.

39 Frauen mit Heteroplasmie wurde eine Präimplantationsdiagnostik angeboten, um Embryonen mit niedrigem Anteil mutierter Mitochondrien (unter 30 Prozent) zu identifizieren. 18 Kinder wurden so geboren, mit Heteroplasmieraten zwischen null und acht Prozent.

Ein Durchbruch in der mitochondrialen Medizin

Prof. Dr. Nils-Göran Larsson, Leiter der Arbeitsgruppe „Maintenance and expression of mtDNA in disease and ageing“ am Karolinska-Institut in Stockholm bewertet die Publikation der Ergebnisse sehr positiv.

„Die Studie stellt einen Durchbruch in der mitochondrialen Medizin dar. Mitochondriale Erkrankungen können verheerend sein und bei betroffenen Kindern erhebliches Leid verursachen, das manchmal zu einem frühen Tod führt. Die MRT verhindert die Übertragung der mutierten mtDNA von der Mutter auf das Kind. Für betroffene Familien ist dies eine sehr wichtige Reproduktionsoption.“

Prof. Dr. Nils-Göran Larsson

Er hebt die sorgfältige Arbeit der Studienautorinnen und -autoren hervor, betont jedoch auch die sehr kleine Serie von acht Babys und die dringende Notwendigkeit weiterer unabhängiger Studien und langfristiger Beobachtung.

Große Bedeutung für die klinische Praxis

Prof. Dr. Marcus Deschauer, Leiter der Arbeitsgruppe „Erbliche seltene neurologische Erkrankungen“ und Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Neurologie am Klinikum rechts der Isar der Technische Universität München (TUM) betont die Relevanz der Publikationen:

„Nach meiner Kenntnis handelt es sich um die erste Publikation einer größeren Kohorte von Familien mit mitochondrialen DNA-Erkrankungen, die nach Vorkerntransfer/Mitochondrienspende beziehungsweise Präimplantationsdiagnostik Kinder geboren haben. Die Arbeiten sind sehr bedeutsam, um die Wirksamkeit und Risiken der Methoden in der Praxis einschätzen zu können.“

Prof. Dr. Marcus Deschauer

Auch er gibt die Notwendigkeit einer längeren Nachbeobachtungszeit zu bedenken und erwägt mögliche Szenarien, die im Leben der Babys noch auftreten könnten. So könne beispielsweise die Menge an mtDNA mit krankheitsverursachender Variante im Laufe der Zeit weiter zunehmen, ein Szenario, welches Prof. Deschauer als möglich, jedoch unwahrscheinlich einstuft.

Sein Fazit: „Wenn das Verfahren der Mitochondrienspende auch in Deutschland erlaubt werden würde, wäre dies für ausgewählte Frauen mit einer mtDNA-Erkrankung eine Möglichkeit, das Risiko einer Weitergabe einer krankhaften mtDNA-Variante deutlich zu vermindern. Somit würde sich die Chance auf gesunde Kinder für Familien erhöhen.“

KI-gestützt, redaktionell bearbeitet nh

Literatur:
  1. Costa-Borges N et al. (2023): First pilot study of maternal spindle transfer for the treatment of repeated in vitro fertilization failures in couples with idiopathic infertility. Fertility and Sterility
  2. Savash M et al. (2025): Mitochondrial DNA ‘reversal’ is common in children born following meiotic spindle transfer, potentially reducing the efficacy of mitochondrial replacement therapies. Konferenzabstract

Originalpublikationen:
Hyslop LA, Blakely EL, Aushev M et al. Mitochondrial Donation and Preimplantation Genetic Testing for mtDNA Disease. NEJM 2025
McFarland R, Hyslop LA, Feeney C et al. Mitochondrial Donation in a Reproductive Care Pathway for mtDNA Disease. NEJM 2025

Quelle: Pressemitteilung mit Expertenstatements des SMC vom 16.07.2025: Kinder mit drei Eltern: Fortschritte in der Mitochondrien-Ersatztherapie

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