Die Bedeutung pränataler Umweltfaktoren für die Gehirnentwicklung ist zunehmend Gegenstand der Forschung. Eine aktuelle prospektive Kohortenstudie aus Barcelona liefert nun detaillierte Hinweise darauf, dass bereits während der Schwangerschaft die Exposition gegenüber Luftschadstoffen wie NO₂, PM2.5 und Ruß mit messbaren Veränderungen der fetalen Gehirnmorphologie einhergeht. Die Ergebnisse unterstreichen die Relevanz externer Einflüsse auf die neuronale Entwicklung und werfen wichtige Fragen für die klinische Praxis auf.
Im Rahmen der Barcelona Life Study Cohort (BiSC) wurden 754 Mutter-Kind-Paare mittels transvaginaler Neurosonografie im dritten Trimenon untersucht. Die individuelle Exposition gegenüber NO₂, PM2.5 und Ruß wurde mithilfe von Hybridmodellen ermittelt, die reale Messdaten mit fortgeschrittenen statistischen Methoden kombinierten. Die Berücksichtigung verschiedener „Mikroumgebungen“ – Wohnort, Arbeitsplatz und Pendelwege – sowie die Erfassung von Aktivitätsmustern per Geolokalisations-App stellen methodische Innovationen dar und erhöhen die Aussagekraft der Ergebnisse.
Kritische Zeitfenster
Die Studie identifizierte signifikante Assoziationen zwischen pränataler Schadstoffexposition und einer Volumenzunahme der lateralen Ventrikel sowie der Cisterna magna. Zudem wurde eine Verbreiterung des Vermis cerebelli und eine Reduktion der Tiefe der Sylvischen Fissur bei erhöhter Rußexposition beobachtet – Hinweise auf eine potenziell verzögerte Reifung bestimmter Hirnareale. Diese Effekte traten besonders ausgeprägt im zweiten und dritten Trimenon auf, einer Phase erhöhter Vulnerabilität der fetalen Gehirnentwicklung.
Von der Forschung zur Versorgung
Obwohl alle Messwerte im individuellen Bereich als unauffällig galten, sind die beobachteten Unterschiede auf Populationsebene von Bedeutung. Sie deuten darauf hin, dass auch bei unauffälligen Schwangerschaftsverläufen subtile, durch Umweltfaktoren bedingte Veränderungen der Gehirnentwicklung auftreten können. Die Autorinnen und Autoren betonen die Notwendigkeit weiterer Langzeitstudien, um die Persistenz und mögliche funktionelle Relevanz dieser Veränderungen zu klären.
Julina Pletziger
Originalstudie: Dadvand P, Llurba E, Gómez-Roig L et al. Air pollution and foetal brain morphological development: a prospective study. The Lancet Planetary Health 2025; 7: 754-761