Herausforderungen und Fortschritte in der Prävention von Frühgeburten

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Winziger Fuß eines Frühgeborenen symbolisiert die Bedeutung der Frühgeburtsprävention in der Neonatologie.
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Frühgeburten stellen mit einer Prävalenz von 8–10 % aller Schwangerschaften ein bedeutendes medizinisches Problem dar, das mit hoher perinataler Morbidität und Mortalität verbunden ist. Die Überlebenschancen der Neugeborenen hängen stark vom Gestations­alter bei der Geburt sowie von der Qualität der medizinischen Versorgung ab. Zu den bekannten Risikofaktoren für Frühgeburten zählen frühere Frühgeburten, Mehrlingsschwangerschaften, intrauterine Infektionen und Lebensstilfaktoren wie Rauchen. Die Prävention von Frühgeburten lässt sich in drei Stufen unterteilen: Primärprävention, Sekundärprävention und Tertiärprävention. Die Primärprävention zielt darauf ab, das Auftreten dieser Risikofaktoren zu minimieren, die Sekundärprävention greift ein, wenn bereits Risikofaktoren identifiziert wurden. Die Tertiärprävention konzentriert sich auf die Optimierung der Versorgung, wenn eine Frühgeburt droht oder nicht mehr abwendbar ist.

Prävalenz und Risikofaktoren der Frühgeburt

Frühgeburten stellen weltweit ein bedeutendes medizinisches Problem dar. Sie treten bei etwa 8–10 % aller Schwangerschaften auf und sind eine der Haupt­ursachen für perinatale Morbidität und Mortalität. Die Überlebenschancen und die langfristige Entwicklung der betroffenen Neugeborenen hängen maßgeblich vom Gestationsalter zum Zeitpunkt der Geburt sowie von der medizinischen Versorgung ab. Trotz medizinischer Fortschritte bleiben Frühgeburten eine der größten Herausforderungen der modernen Geburtshilfe [1, 2].


Etwa 85 % aller Frühgeburten erfolgen zwischen Schwangerschaftswoche (SSW) 32 und 37, während etwa 10 % im Zeitraum zwischen der 28. und 32. Woche stattfinden. Die verbleibenden 5 % der Frühgeburten treten vor der 28. SSW auf. Besonders in dieser extremen Frühphase ist das Risiko für perinatale Mortalität (▶ Abb. 1) und schwerwiegende Komplikationen am höchsten. Während späte Frühgeborene (32.–37. SSW) in der Regel eine gute Prognose haben, sind Frühgeburten vor der 32. SSW mit einer erheblichen Zunahme von neonatalen Komplikationen, darunter Atemnotsyndrom, intraventrikuläre Blutungen und nekrotisierende Enterokolitis, assoziiert (▶ Abb. 2). Diese extrem frühgeborenen Kinder haben ein deutlich höheres Risiko für Langzeitfolgen, darunter neurologische Entwicklungsstörungen und chronische Lungenerkrankungen.

Abb. 1: Zusammenhang zwischen perinataler Mortalität und Gestationsalter. Die Abb. zeigt, dass oberhalb von 30–32 SSW kaum noch mit einer erhöhten perinatalen Mortalität gerechnet werden muss [17].

Obwohl diese sehr frühen Frühgeburten nur einen kleinen Teil der Gesamtfälle ausmachen, tragen sie überproportional zur Morbidität und Mortalität von Neugeborenen bei. Die Ätiologie der Frühgeburt ist multifaktoriell, wobei unterschiedlichste Risikofaktoren identifiziert wurden. Zu den bedeutendsten gehören eine vorangegangene Frühgeburt, Mehrlingsschwangerschaften, intrauterine Infektionen, eine verkürzte Zervixlänge sowie bestimmte maternale Erkrankungen wie Diabetes mellitus und ­hypertensive Schwangerschaftserkrankungen. Auch Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Drogenkonsum, unzureichende Ernährung und psychosozialer Stress spielen eine wesentliche Rolle. Zudem können sozioökonomische Faktoren wie niedriger Bildungsstatus und eingeschränkter Zugang zur pränatalen Versorgung das Frühgeburtsrisiko erhöhen. Die Identifikation und gezielte Behandlung dieser Risikofaktoren bilden die Grundlage für wirksame Präventionsstrategien [3].

Abb. 2: Zusammenhang zwischen schweren Morbiditäten und Gestationsalter. Die Abb. zeigt, dass oberhalb von 30–32 SSW kaum noch mit einem erhöhten Risiko für die gezeigten Morbiditäten gerechnet werden muss, so dass schon aus theoretischen Erwägungen heraus schwangerschaftsverlängernde und andere Interventionen kaum noch entscheidende Vorteile für Frühgeborene haben [17]. Im Detail und vor allem mit Blick auf andere Morbiditäten (z. B. Autismus, Verhaltensauffälligkeiten, Lernschwäche) kann sich ein vollkommen anderes Bild ergeben, das durch die übliche Datenerhebung nicht erfasst ist. Insofern ist einer inzwischen durch etliche Studien vermittelten grundsätzlichen „Interventionsfeindlichkeit“ mit gewisser Skepsis zu begegnen. Umgekehrt sind auch die Interventionen selbst nur unzureichend auf andere Morbiditäten hin untersucht, so dass einer fortgesetzten wissenschaftlichen Diskussion und kontinuierlichen Reevaluation große Bedeutung zukommt.

Primäre Prävention

Die primäre Prävention zielt darauf ab, Risikofaktoren für eine Frühgeburt bereits vor ihrem Auftreten zu identifizieren und zu minimieren. Hierbei spielen sowohl medizinische als auch sozioökonomische Aspekte eine wesentliche Rolle. Ein gesunder Lebensstil ist eine der entscheidenden Grundvoraussetzungen für eine komplikationsfreie Schwangerschaft. Studien zeigen, dass der Verzicht auf Nikotin das Frühgeburtsrisiko um bis zu 50 % senken kann. Ebenso kann eine ausgewogene Ernährung mit ausreichender Zufuhr von Folsäure das Risiko um etwa 30 % reduzieren. Eine Supplementierung mit Omega-3-Fettsäuren hat in Studien eine Risikoreduktion um bis zu 10 % gezeigt.


Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen ermöglichen die frühzeitige Identifizierung potenzieller Risikofaktoren wie chronische Erkrankungen, Infektionen oder anatomische Auffälligkeiten, bzw. eine Verkürzung des Gebärmutterhalses. Besonders genitale Infektionen wie die bakterielle Vaginose stehen im Verdacht, das Risiko einer Frühgeburt um bis zu 40 % zu erhöhen. Eine frühzeitige Diagnostik und Therapie ändert nach heutigem Kenntnisstand allerdings nichts an der Frühgeburtenrate. Die früher geäußerte Hoffnung, durch gezielte Behandlung von bakteriellen Infektionen in der Schwangerschaft könne das Frühgeburtsrisiko um bis zu 25 % reduziert werden, ist leider so nicht in Erfüllung gegangen [4]. Ob Spätaborte bzw. Frühgeburten an der Grenze der Lebensfähigkeit durch Therapie einer bakteriellen Vaginose zu verhindern sind, ist nach wie vor strittig. Die heute von manchen Laboren angebotenen Bestimmungen des vaginalen Mikrobioms (Vaginom) sollten grundsätzlich unterlassen werden. Zudem sollten mit dem Ergebnis einer solchen Diagnostik verbundene Therapievorschläge nicht umgesetzt werden. Auf Basis der aktuell zur Verfügung stehenden Daten rate ich grundsätzlich von jeder Form der Vaginomdiagnostik ab.


Auch psychosoziale Faktoren spielen eine bedeutende Rolle. Chronischer Stress und psychosoziale Belastungen sind mit einer erhöhten Früh­geburtenrate assoziiert. Interventionsprogramme zur Stressreduktion und psychosozialen Unterstützung konnten eine Verringerung des Frühgeburtsrisikos um bis zu 20 % nachweisen. Darüber hin­aus ist der Zugang zu einer qualitativ hochwertigen pränatalen Versorgung essenziell. Frauen mit regelmäßiger Schwangerschaftsbetreuung haben ein um 30 % geringeres Risiko für eine Frühgeburt im Vergleich zu Frauen mit unzureichender medizinischer Betreuung.
Sozioökonomische Faktoren wie ein niedriger Bildungsstatus und finanzielle Unsicherheiten stellen ebenfalls bedeutende Risikofaktoren dar. Gesundheitsprogramme zur Unterstützung schwangerer Frauen in prekären Lebenslagen konnten eine Verringerung der Frühgeburtenrate um etwa 15 % erzielen. Diese Maßnahmen umfassen eine bessere Ernährungsberatung, den Zugang zu medizinischer Versorgung sowie psychosoziale Unterstützung.


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass primäre Präventionsmaßnahmen, insbesondere Lebensstilmodifikationen und eine frühzeitige medizinische Intervention, durchaus einen erheblichen Einfluss auf die Reduktion der Frühgeburten­rate haben können. Eine Kombination aus medizinischer Betreuung, Ernährungsoptimierung, Infektionsprophylaxe und psychosozialer Unterstützung stellt den wirkungsvollsten Ansatz zur Minimierung des Frühgeburtsrisikos dar. Ich selbst bin überzeugt davon, dass “tender loving care“ in ihrer Wirkung nicht zu unterschätzen ist. Studien, die eindeutig die Wirkung dieser Maßnahme belegen, sind schwer durchzuführen, vor allem, wenn es darum geht Risikogruppen zu identifizieren und dann in die Studien einzuschließen.

Sekundäre Prävention

Die sekundäre Prävention setzt an, sobald Risikofaktoren identifiziert wurden. Ein besonders wichtiger Aspekt ist die transvaginale Sonografie zur Messung der Zervixlänge, da Studien zufolge eine verkürzte Zervix (< 25 mm) vor der 24. SSW als signifikanter Prädiktor für eine Frühgeburt gilt. Sie zeigen, dass die präventive Anwendung von vaginalem Progesteron bei Frauen mit einer Zervixlänge unter 25 mm das Risiko einer Frühgeburt vor der 34. Woche um etwa 45 % senken kann. Ob dies wirklich tragfähig ist oder ob nicht eher die Wirkung des Progesterons überschätzt wurde, ist Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Diskussionen. Die Zahl der Studien, die keinerlei Effekt von Progesteron zeigten, ist jedenfalls inzwischen relativ hoch, so dass die Hoffnungen, die Anfang der 2000er Jahre in die Progesterontherapie gesetzt wurden, vermutlich doch nicht in Erfüllung gegangen sind [5].


Neben der Progesterontherapie können mechanische Interventionen wie die Cerclage oder der Einsatz eines Zervixpessars in Betracht gezogen werden. Eine Cerclage, die operative Verstärkung des ­Gebärmutterhalses, kann insbesondere bei Frauen mit anamnestischer Zervixinsuffizienz und Frühgeburt in der Vorgeschichte das Frühgeburtsrisiko um bis zu 30 % senken [6]. Das Zervixpessar [7] bietet eine nicht-invasive Alternative und ist einfach anzuwenden, wobei Studien zeigen, dass dessen Anwendung bei Frauen mit verkürzter Zervix das Risiko einer Frühgeburt um etwa 25 % reduzieren kann. Ich selbst verwende das Zervixpessar aufgrund guter Erfahrungen regelmäßig. Die wissenschaftliche Diskussion über die Wirksamkeit reißt jedoch nicht ab [8]. Aus Großbritannien und den USA stammende Studien konnten überwiegend keinen Effekt nachweisen, während Studien aus Spanien [9] sowohl bei Einlingen, vor allem aber bei Zwillingsschwangerschaften [10] mit kurzer Zervix einen erheblichen Effekt feststellen konnten. Bei genauer Analyse der Studien wird deutlich, dass es darauf ankommt, dass die anwendende Person entsprechend geschult ist, was insbesondere bei den aus den USA und Großbritannien stammenden Studien nicht der Fall war [11].


Die früher als essenzieller Bestandteil der sekundären Prävention ­betrachtete Infektionsprophylaxe ist heute als nicht mehr wirksam zu erachten. Insbesondere der The­rapie der bakteriellen Vaginose kommt vermutlich keine Bedeutung mehr zu, weswegen auch antibiotische Therapien bei asymptomatischen Frauen unbedingt unterlassen werden sollten. Ebenso spielt die Identifikation und Therapie einer asymptomatischen Bakteriurie keine entscheidende Rolle mehr. Eine nicht behandelte Bakteriurie ist zwar mit einer bis zu 50 % höheren Wahrscheinlichkeit für eine Frühgeburt verbunden, ihre Therapie bringt aber bis auf Nebenwirkungen keine Vorteile und ist daher zu unterlassen.


Darüber hinaus ist eine engmaschige Überwachung von Schwangeren mit bekannten Risikofaktoren notwendig. Frauen mit einer früheren Frühgeburt profitieren von intensiverer Betreuung, strukturierter Beratung und gegebenenfalls einer stationären Überwachung. Studien zeigen, dass ein multidisziplinäres Betreuungsprogramm das Risiko für eine erneute Frühgeburt um bis zu 35 % senken kann.

Tertiäre Prävention

Die tertiäre Prävention umfasst diejenigen Maßnahmen, die ergriffen werden, wenn eine Frühgeburt droht oder nicht mehr vermeidbar ist. Ihr Ziel ist es, die neonatalen Outcomes zu optimieren und Komplikationen zu minimieren. Eine der wichtigsten Maßnahmen in der tertiären Prävention ist die Verabreichung von antenatalen Kortikosteroiden [12, 13], um die Lungenreifung des Fetus zu fördern. Studien zeigen, dass die ­Gabe von zwei Dosen Betamethason im Abstand von 24 Stunden das Risiko für das Atemnotsyndrom um etwa 50 % senken kann. Ebenso reduziert sie das Risiko für intraventrikuläre Hirnblutungen um bis zu 40 % und für eine nekrotisierende Enterokolitis um rund 35 %.


Die größte derzeitige Herausforderung besteht darin, den richtigen Zeitpunkt für die Applikation antenataler Kortikosteroide zu treffen, da der größte Effekt dann zu erzielen ist, wenn der Lungenreife-Zyklus unmittelbar vor Geburt abgeschlossen wurde. Da dies aber nicht vorhersehbar ist, werden nur etwa 30 % der Lungenreife-Zyklen im „richtigen“ Zeitfenster appliziert. Wiederholte Gaben sollten nach 29+0 SSW möglichst unterlassen werden, auch wenn der erste Zyklus schon länger zurückliegt. Vor 29+0 SSW kann eine weitere Gabe erfolgen, sofern der vorangegangene Zyklus mindestens sieben ­Tage zurückliegt und ein hohes Frühgeburtsrisiko fortbesteht. In der klinischen Praxis sind wir zwischenzeitlich dazu übergegangen, jede einzelne Gabe sehr sorgfältig zu prüfen und möglichst zunächst einmal die Dynamik (z. B. durch kurzfristige Kontrolle der Zervixlänge) abzuwarten. Erst bei fortschreitendem Befund würden wir dann behandeln. Dieses Vorgehen ist schon allein deshalb leicht und ohne größeres Risiko umzusetzen, weil die Mehrzahl der Schwangeren mit drohender Frühgeburt und einem Gestationsalter jenseits der 30. SSW die Klinik aufsucht und ab diesem Zeitpunkt ohnehin nur noch relativ geringe Vorteile durch die Lungenreifeinduktion zu erzielen sind (▶ Abb. 1, 2).


Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang die tokolytische Therapie [14]. Zugelassene Präparate sind Fenoterol und Atosiban. Alterativ sind Nifedipin und in frühen Schwangerschaftswochen unterhalb von 29+0 SSW Indometacin im Einsatz. Die Dauer der tokolytischen Therapie sollte 48 Stunden, also die Zeit, die notwendig ist, um den Lungenreifezyklus abzuschließen, nicht überschreiten. Ausweislich der kürzlich erschienenen Apostel-8-Studie [15] ändert eine tokolytische Therapie oberhalb von 30 SSW nichts mehr am Outcome von Frühgeborenen. Trotzdem ist und bleibt es Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion, ob nicht auch ohne messbare Outcomeverbesserung eine Schwangerschaftsverlängerung sinnvoll sein kann.
Auch Magnesium i. v. zur Neuroprotektion sollte vor 32+0 SSW möglichst über einen Zeitraum von zwölf Stunden zum Einsatz kommen. Zwar sind die Effekte gering, dennoch sollte keine Maßnahme unterlassen werden, die sich günstig auf das neurologische Outcome auswirkt.


Zusätzlich spielt die Verlegung von Risikopatientinnen in Perinatalzentren eine entscheidende Rolle für die Reduktion neonataler Komplikationen. Frühgeborene, die je nach Gestationsalter in Perinatalzentren oder perinatalen Schwerpunkten geboren werden, haben eine um 25 % höhere Überlebensrate im Vergleich zu jenen, die in nicht spezialisierten Einrichtungen zur Welt kommen.


Neben diesen medizinischen Maßnahmen gewinnt auch die psychosoziale Betreuung zunehmend an Bedeutung. Das Bonding, also die frühe körperliche und emotionale Nähe zwischen Eltern und Kind, ist essenziell für die Entwicklung des Neugeborenen. Die Känguru-Methode, bei der das Frühgeborene Hautkontakt mit den Eltern hat, trägt nachweislich zur Stabilisierung der Vitalzeichen und zur besseren neurologischen Entwicklung bei. Studien zeigen, dass regel­mäßiges Bonding die Gewichts­zunahme fördert und das Risiko von Infektionen senkt.


Die dauerhafte Präsenz der Eltern oder anderer Bezugspersonen auf der neonatologischen Intensivsta­tion verbessert nicht nur die emotionale Bindung, sondern kann auch zur Reduktion von Stress und Angst beim Neugeborenen beitragen. Elternschulungsprogramme und psychologische Unterstützung helfen den Familien, mit der herausfordernden Situation umzugehen und eine sichere Bindung zum Kind aufzubauen.
Auch über die Zeit im Krankenhaus hinaus ist eine gezielte Unterstützung notwendig. Frühgeborene haben ein erhöhtes Risiko für Entwicklungsverzögerungen, weshalb eine kontinuierliche Nachsorge essenziell ist. Interdisziplinäre Frühförderprogramme sowie logopädische, ergotherapeutische und physiotherapeutische Interventionen können langfristige gesundheitliche und kognitive Einschränkungen minimieren. Eltern sollten außerdem Zugang zu sozialmedizinischer Beratung erhalten, um über finanzielle Hilfen, Betreuungsmöglichkeiten und unterstützende Netzwerke informiert zu werden.


Zusammenfassend zeigt sich, dass die tertiäre Prävention eben nicht nur medizinische Akutmaßnahmen umfasst, sondern auch eine umfassende psychosoziale und entwicklungsfördernde Betreuung erforderlich ist. Die Kombination aus hochspezialisierter neonatologischer Versorgung, frühzeitiger Eltern-Kind-Interaktion und langfristiger Unterstützung trägt wesentlich dazu bei, die Prognosen von Frühgeborenen zu verbessern und deren langfristige Lebensqualität zu erhöhen.

Fazit und Ausblick

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Prävention der Frühgeburt ein vielschichtiges und interdisziplinäres Vorgehen erfordert. Viele Maßnahmen sind nur unzureichend durch wissenschaft­liche Daten belegbar. Einige in den letzten Jahren erschienene Studien – darunter maßgebliche randomisierte kontrollierte Studien – zeigten eher die Unwirksamkeit einzelner Maßnahmen auf. Trotzdem möchte ich davor warnen, in eine Art „Therapie-Nihilismus“ zu verfallen. Wir müssen als Ärztinnen und Ärzte den Schwangeren etwas Konkretes anbieten können und sollten uns auch stets selbst fragen, wie und womit wir selbst behandelt werden wollen würden. Dies betrifft vor allem den Umgang mit dem Thema der Langzeittokolyse. Obwohl zahlreiche Studien belegen konnten, dass die Langzeittokolyse keine positiven Effekte hat und hierüber auch weitestgehend wissenschaftlicher Konsens besteht, wenden über 80 % der Gynäkologen und Gynäkologinnen in der DACH-Region diese weiterhin an.


Die Umsetzung diverser evidenzbasierter Strategien kann natürlich dazu beitragen, die Inzidenz von Frühgeburten zu reduzieren und die gesundheitlichen Chancen für betroffene Neugeborene zu verbessern. Sie kann bei allzu konsequenter Umsetzung aber auch auf Widerstand stoßen, wie es bei der Langzeittokolyse deutlich wird.


Trotz erheblicher Fortschritte in der Frühgeburtsprävention bleibt die Forschung auf diesem Gebiet essenziell. Zukünftige Studien sollten sich insbesondere auf personalisierte Präventionsstrategien, z. B. durch ambulantes Management [16], konzentrieren, die individuelle Risikoprofile berücksichtigen. Zudem sind gesellschaftliche und gesundheitspolitische Maßnahmen notwendig, um den Zugang zur pränatalen Versorgung von Risikogruppen weiter zu verbessern und benachteiligte Gruppen gezielt zu unterstützen. Ein besonderer Fokus sollte auf innovative diagnostische Verfahren und neuartige therapeutische Ansätze gelegt werden, um noch präzisere Interventionen zu ermöglichen.
Langfristig ist eine enge Zusammenarbeit zwischen medizinischen Fachkräften, Forschenden und Politik erforderlich, um die Prävention weiter zu optimieren. Nur durch ­eine kontinuierliche Verbesserung der Präventionsstrategien und eine verstärkte Aufklärung der Bevölkerung kann die Rate an Frühgeburten nachhaltig gesenkt und die Gesundheit von Mutter und Kind umfassend geschützt werden.

Hon. Prof. Dr. med. habil. Holger Maul, MMS, MBM, IBCLC
Asklepios Frauenkliniken Barmbek, Nord/Heidberg und Wandsbek, jeweils Hamburg
+49 40 1818 828899
h.maul@asklepios.com

Quelle: Maul H. Herausforderungen und Fortschritte in der Prävention von Frühgeburten. gyne 2025; 46(2): 11–16

Literatur:

1. Berger R, Abele H, Bahlmann F et al. Prevention and Therapy of Preterm Birth. Guideline of the DGGG, OEGGG and SGGG (S2k-Level, AWMF Registry Number 015/025, September 2022) – Part 1 with Recommendations on the Epidemiology, Etiology, Prediction, Primary and Secondary Prevention of Preterm Birth. Geburtshilfe Frauenheilkd 2023; 83(5): 547–568

    2. Berger R, Abele H, Bahlmann F et al. Prevention and Therapy of Preterm Birth. Guideline of the DGGG, OEGGG and SGGG (S2k-Level, AWMF Registry Number 015/025, September 2022) – Part 2 with Recommendations on the Tertiary Prevention of Preterm Birth and on the Management of Preterm Premature Rupture of Membranes. Geburtshilfe Frauenheilkd 2023; 83(5): 569–601

    3. Berger R, Rath W, Abele H, Garnier Y, Kuon RJ, Maul H. Reducing the Risk of Preterm Birth by Ambulatory Risk Factor Management. Dtsch Arztebl Int 2019; 116(50): 858–864

    4. Subtil D, Brabant G, Tilloy E, Devos P. Early clindamycin for bacterial vaginosis in pregnancy (PREMEVA): a multicentre, double-blind, randomised controlled trial. Lancet 2018; 392(10160): 2171–2179

    5. Kuon RJ, Abele H, Berger R, Garnier Y, Maul H, Schleußner E, Rath W. Progesteron zur Prävention der Frühgeburt–Evidenz-basierte Indikationen. Z Geburtshilfe Neonatol 2015; 219(3): 125–135

    6. Kuon RJ, Hudalla H, Seitz C et al. Impaired Neonatal Outcome after Emergency Cerclage Adds Controversy to Prolongation of Pregnancy. PLoS One 2015; 10(6): e0129104

    7. Kyvernitakis I, Maul H, Rath W et al. Position Paper of the Task Force for Obstetrics and Prenatal Medicine (AGG – Section Preterm Birth) on the Placement, Removal and Surveillance of the Arabin Cervical Pessary in Patients at Risk for Spontaneous Preterm Birth. Geburtshilfe Frauenheilkd 2019; 79(11): 1171–1175

    8. Kyvernitakis I, Baschat AA, Malan M et al. Cervical pessary to prevent preterm birth and poor neonatal outcome: An integrity meta-analysis of randomized controlled trials focusing on adherence to the European Medical Device Regulation. Int J Gynaecol Obstet 2024; 165(2): 607–620

    9. Goya M, Cabero L, Carreras E. Cervical Pessary and Preterm Singleton Birth. N Engl J Med 2016; 375(6): e10

    10. Goya M, de la Calle M, Pratcorona L et al. Cervical pessary to prevent preterm birth in women with twin gestation and sonographic short cervix: a multicenter randomized controlled trial (PECEP-Twins). Am J Obstet Gynecol 2016; 214(2): 145–152

    11. Nicolaides KH, Syngelaki A, Poon LC et al. A Randomized Trial of a Cervical Pessary to Prevent Preterm Singleton Birth. N Engl J Med 2016; 374(11): 1044–1052

    12. Berger R, Kyvernitakis I, Maul H. Administration of Antenatal Corticosteroids: Current State of Knowledge. Geburtshilfe Frauenheilkd 2022; 82(3): 287–296

    13. Berger R, Stelzl P, Maul H. Administration of Antenatal Corticosteroids: Optimal Timing. Geburtshilfe Frauenheilkd 2024; 84(1): 48–58

    14. Stelzl P, Kehl S, Oppelt P et al. Maintenance tocolysis, tocolysis in preterm premature rupture of membranes and in cervical cerclage – a Germany-wide survey on the current practice after dissemination of the German guideline. J Perinat Med 2023; 51(6): 775–781

    15. van der Windt L, Klumper J, van Limburg Stirum EVJ et al. Atosiban versus placebo in the treatment of threatened preterm birth between 30 and 34 weeks gestation: study protocol of the 4-year APOSTEL 8 follow-up. BMJ Open 2024; 14(7): e083600

    16. Kunze M, Maul H, Kyvernitakis I et al. Statement of the Obstetrics and Prenatal Medicine Working Group (AGG – Preterm Birth Section) on ‚Outpatient Management for Pregnant Women with Preterm Premature Rupture of Membranes (PPROM)‘. Geburtshilfe Frauenheilkd 2024; 84(1): 43–47

    17. Mercer BM. Preterm premature rupture of the membranes. Obstet Gynecol 2003; 101(1): 178–193

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