Zu einer gesetzlichen Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs wird es in dieser Legislaturperiode nicht mehr kommen. Der Rechtsausschuss des Bundestags entschied gestern Abend nach einer dreistündigen Anhörung zum Thema keine finale Abstimmung über den entsprechenden Gesetzentwurf noch vor den Neuwahlen im Parlament zu ermöglichen. Dafür hätte zunächst eine Sondersitzung des Ausschusses einberufen werden müssen, für die es – unter anderem durch den Widerstand von Union und FDP – keine Mehrheit gab.
SPD und Grüne, die den Gesetzentwurf zur Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs maßgeblich vorangetrieben hatten, sind enttäuscht. Denn 328 Bundestagsabgeordnete hatten den Entwurf bereits unterzeichnet. Damit fehlten nur 39 Stimmen für eine Mehrheit im Parlament.
Nachdem Anfang Dezember der Bundestag in erster Lesung den Gesetzentwurf diskutiert hatte, hatten sich mehrere Unterstützende zuversichtlich geäußert, diese Mehrheit noch vor der Neuwahl am 23. Februar zustande zu bekommen.
„Ob das Thema in der nächsten Legislaturperiode aufgegriffen wird, hängt wohl entscheidend von den Ergebnissen der Bundestagswahl und dem Druck der Zivilgesellschaft ab. Theoretisch würde dies die Möglichkeit eröffnen, sich der gesamten Thematik nochmal ausführlich anzunehmen“, so Christiane Herrmann, Vorstandsmitglied des Humanistischen Verbandes Deutschlands – Bundesverband.
Stimmen zum Gesetzentwurf
Pro Gesetzentwurf
Rona Torenz, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Forschungsverbundprojekt „ELSA – Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer. Angebote der Beratung und Versorgung“ an der Hochschule Fulda, sagte, die Ergebnisse der ELSA-Studie stützten in weiten Teilen sowohl die vorgeschlagene Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts als auch die Notwendigkeit einer Verbesserung der medizinischen Versorgung. Die Rechtmäßigkeit des Schwangerschaftsabbruchs trage dazu bei, Stigmatisierungserfahrungen für ungewollt Schwangere sowie Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, zu reduzieren, befand sie.
Dr. med. Alicia Baier, Vorstand im Verein Doctors for Choice Germany, sagte, der Gesetzentwurf sei evidenzbasiert und finde in Deutschland einen breiten Rückhalt unter Ärztinnen und Ärzten. Es sei vielfach wissenschaftlich belegt worden, dass die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und der Verzicht auf Zugangshürden wie Pflichtberatung und Wartefrist die Gesundheit der Betroffenen verbessert „und Abbrüche hierdurch nicht häufiger, sondern früher stattfinden“. Mit dem Gesetzentwurf, so Baier, könne die entscheidende Grundlage dafür gelegt werden, „dass Schwangerschaftsabbrüche fortan als medizinische Leistung und nicht als Kriminalfall behandelt werden“.
Für den Gesetzentwurf sprach sich auch Dr. Beate von Miquel, Vorsitzende des Deutschen Frauenrates, aus. Mit dem Entwurf könne der Schwangerschaftsabbruch auf Verlangen der Frau „verfassungskonform und im Einklang mit dem Grundgesetz und internationalen Menschenrechten entkriminalisiert werden“. Die jetzige Gesetzeslage habe abschreckende Wirkung für Ärztinnen und Arzte, den Abbruch zu erlernen und zu praktizieren und gefährde somit die Gesundheit und das Leben der Schwangeren, sagte sie. Zu begrüßen sei auch die Regelung, die dreitägige Wartefrist abzuschaffen. Das stärke die Autonomie und Selbstbestimmung von Frauen und ermögliche ihnen einen schnelleren und zuverlässigen Zugang innerhalb der ersten zwölf Wochen.
Contra Gesetzentwurf
Prof. Dr. med. Matthias David, Gynäkologe am Charité Campus Virchow Klinikum Berlin und Koordinator der Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) für die aktuelle Leitlinie zum Schwangerschaftsabbruch, hielt dem entgegen, dass Hinweise auf eine Verschlechterung der Versorgungslage in den letzten Jahren nicht nachweisbar seien. Die bisher veröffentlichen Ergebnisse der ELSA-Studie erscheinen aus seiner Sicht nicht dafür geeignet, ein „Versorgungsproblem“ zu beweisen. Vielmehr unterstrichen diese Resultate „eine gute bis sehr gute Erreichbarkeit und Versorgung“. „Die Versorgungslage mit Schwangerschaftsabbrüchen ist nicht prekär“, sagte David, der eine Frist zwischen Beratung und Abbruch von zwei bis drei Tagen als „sehr wichtig“ bezeichnetet.
Der Gesetzentwurf sei rechtspolitisch verfehlt, urteilte Prof. Dr. Dr. h. c. Michael Kubiciel von der Universität Augsburg. Er verändere die Rechtslage für Ärzte nicht, da diese schon jetzt unter dem Schutz der Rechtsordnung beratene und indizierte Abbrüche vornehmen könnten. Die Vorlage führe auch zu einem gesundheits- und frauenpolitischen Fehlanreiz, „da Schwangeren ein sanktionsfreier Weg zu gefährlichen Abbrüchen von Laien außerhalb des regulatorischen Rahmens eröffnet wird“. Auch widerspräche die Abschaffung der Drei-Tages-Frist dem Zweck der Beratung und sei zur Ermöglichung eines rechtzeitigen Abbruchs nicht erforderlich, sagte Kubiciel.
Gegen den Gesetzentwurf positionierte sich Kristijan Aufiero von der Schwangerschaftskonfliktberatung 1000plus-Profemina. Er stelle keine Verbesserung der Situation von Frauen im Schwangerschaftskonflikt in Aussicht, sagte Aufiero. Es brauche eine lebensbejahende Beratung statt einer Legalisierung der Abtreibungen, der Streichung der Wartepflicht von drei Tagen und der Finanzierung von Abtreibungskosten als reguläre Kassenleistung. Es gehe um die uneingeschränkte Achtung jedes menschlichen Lebens, „ganz egal in welchem Stadium seiner Existenz“. Das sei das Fundament einer freiheitlichen Demokratie.
Quellen: aerzteblatt.de, Humanistischer Verband Deutschlands – Bundesverband, bundestag.de