Eisenmangel betrifft nicht nur Schwangere, sondern auch andere Risikogruppen wie Sportlerinnen und Sportler oder Menschen mit vegetarischer Ernährung. Experten diskutierten bei einem Round-Table zur Eisenversorgung die Bedeutung frühzeitiger Diagnostik durch Ferritin-Bestimmung und kritisierten die uneinheitlichen Grenzwerte. Studien zeigen, dass niedrigdosierte Eisensupplementierung wirksam ist und weniger Nebenwirkungen verursacht. Grundsätzlich kann auch Lactoferrin die Eisenverwertung verbessern. Die Fachleute fordern Leitlinien zur Eisensupplementierung in der Schwangerschaft, um eine einheitliche Orientierungsgrundlage für Kliniken und Praxen zu schaffen.
Einleitung
Ein Eisenmangel kann vor allem in der Schwangerschaft eine Rolle spielen. Dass eine Eisensupplementierung aber auch für andere Personengruppen relevant sein kann und welche Standards und Hürden es bzgl. der Empfehlung und Anwendung von Eisen im Praxisalltag gibt, wurde im Rahmen eines Experten-Round-Table am 28. März 2025 in Frankfurt am Main besprochen.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der von Floradix initiierten Gesprächsrunde waren Dr. Angela Kirschenhofer, Leitende Oberärztin der Geburtshilfe am RoMed Klinikum Rosenheim, Dr. Wolfgang Paulus, Oberarzt und Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Universitätsfrauenklinik Ulm, Dr. Valesca Proske, Ärztin für funktionelle Medizin aus München, Anna Stamm, niedergelassene Gynäkologin in Helmstedt und Betreiberin des Instagram-Kanals @frau_gyn sowie einige Vertreter von Salus.
Ziel der Gesprächsrunde war es, die aktuelle Versorgungssituation mit Eisen innerhalb verschiedener Personengruppen zu diskutieren sowie Möglichkeiten zur Optimierung hinsichtlich Diagnostik und Therapie aufzuzeigen.
Vielfältige Funktionen und Eisenmangel
Bekannt ist, dass Eisen als zentraler Baustein von Hämoglobin und Myoglobin unerlässlich für den Sauerstofftransport und damit die Versorgung von Organen und Geweben ist. Es ist zudem essenziell für die Erythropoese und an zahlreichen Stoffwechselprozessen beteiligt, wie Energiegewinnung und Hormonbildung.
Aufgrund der vielfältigen Funktionen von Eisen kann ein Mangel auch zu verschiedenen Beschwerden führen, wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Frieren, Infektanfälligkeit oder Haarausfall. Darüber hinaus sind einige Krankheiten mit einem Eisenmangel assoziiert oder werden durch diesen begünstigt, wie das Restless-Legs-Syndrom, postpartale Depression oder Herzinsuffizienz. Dennoch wird bei vielen Symptomen oder Krankheitsbildern nur selten ein Eisenmangel in Betracht gezogen, geschweige denn ausreichend diagnostiziert oder behandelt.
Auch die Gründe für einen Mangel an Eisen können vielfältig sein. So kann (vorübergehend) ein erhöhter Bedarf vorliegen, wie bei einer Schwangerschaft, oder es können die Eisenaufnahme und/oder seine Verwertung gestört sein. Zudem kann eine Imbalance zwischen Aufnahme und Verlust vorliegen.
Neben schwangeren Frauen können daher u. a. ältere Personen, Leitungssportlerinnen und -sportler, Frauen mit Hypermenorrhoe oder Personen von einem Eisenmangel betroffen sein, die sich vegetarisch oder vegan ernähren.
Fragliche Grenzwerte
Von der Anämie des funktionellen Eisenmangels, dem meist Entzündungen zugrunde liegen, abgesehen, gibt es drei Stadien des Eisenmangels (▶ Abb. 1). Von den Teilnehmenden kritisch diskutiert wurde, dass der Eisenmangel im ersten Stadium häufig unerkannt bleibe, da in der Praxis meist nur eine Hb-Wert Bestimmung stattfinde.
Da sich dieser jedoch hier noch im Normalbereich befinde, könne ein Eisenmangel in diesem Stadium ohne gleichzeitige Ferritin-Messung nicht diagnostiziert werden. Über den Hb-Wert allein lässt sich ein Eisenmangel erst nachweisen, wenn er bereits zur Anämie geführt hat. Während die Ferritin-Bestimmung laut Dr. Kirschenhofer im klinischen Setting zum Standard der Eisen-Diagnostik gehört, erfolgt sie in niedergelassenen Praxen sehr viel seltener und muss zudem von den Patientinnen und Patienten in der Regel selbst bezahlt werden.
Zudem wurden die uneinheitlichen und sehr niedrig angesetzten Grenzwerte für Ferritin bemängelt. Hier rief Dr. Proske dazu auf, sich nicht ausschließlich an den Vorgaben zu orientieren, sondern vielmehr an den Symptomen der jeweiligen Patientinnen und Patienten. So sollte ggf. bereits bei einem Wert von 40 µg / l eine Substitution in Betracht gezogen werden, um einem Mangel frühzeitig zu begegnen.
Hepcidin und Resorption
Einig war man sich in der Runde, dass Ferritin sehr viel früher als bislang üblich bestimmt werden sollte, am besten in Verbindung mit dem Wert des C-reaktiven Proteins (CRP), um eine entzündungsbedingte Ferritin-Erhöhung auszuschließen. Oder anders gesagt: Wenn den beiden ersten Stadien eines möglichen Eisenmangels mehr Beachtung geschenkt werden würde, ließe sich oftmals eine Eisenmangelanämie vermeiden, die dann nur noch mit hochdosierten Präparaten oder sogar einer aufwendigen und für niedergelassene Praxen nur schwer umsetzbaren parenteralen Eisengabe behandelt werden könne, so die einhellige Meinung.
Bei der Prävention spielen niedriger dosierte Arzneimittel eine wesentliche Rolle, da diese wirksam und gut verträglich sind. Im Gegensatz zu einer hochdosierten Eisengabe hat die Niedrig-Eisen-Therapie den Vorteil, dass sie in der Regel weniger gastrointestinale Nebenwirkungen mit sich bringt.
Begründet sind diese unerwünschten Effekte vor allem in der Menge des nicht resorbierten Eisens, von dem bei hohen Eisengaben deutlich mehr im Darm verbleibt, denn der Körper kann Eisen nur bedingt aufnehmen.
Hierbei spielt Hepcidin als Regulator der Eisenverwertung eine entscheidende Rolle. Das Protein vermeidet eine drohende Eisenüberladung, indem es in Eisentransport und -verwertung eingreift. Das bedeutet, dass eine Eisensupplementierung einen dosisabhängigen Hepcidin-Anstieg auslöst und bei höheren Dosierungen eine umso stärkere Gegenregulation der Resorption und der Eisenabgabe ins Blut stattfindet.
So kann aus niedrigeren Eisenmengen unterm Strich eine bessere prozentuale Eisenresorption erfolgen (▶ Abb. 2) [2] und es gelangt in Summe weniger freies, nicht resorbiertes Eisen in den Darm. Dadurch treten weniger gastrointestinale Nebenwirkungen auf, was wiederum zu einer besseren Compliance führen kann.
Relevante Studien
Zur möglichen Eisensupplementierung wurden einige relevante Untersuchungen vorgestellt. So verglich eine Studie die tägliche mit der alternierenden Eisengabe im Hinblick auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen [3]. Dafür nahm eine Probandengruppe täglich 100 mg Eisen über einen Zeitraum von 90 Tagen ein, gefolgt von 90 Tagen, in denen ein Placebo eingenommen wurde. Die andere Gruppe nahm die gleiche Menge Eisen alternierend mit einem Placebo über 180 Tage ein. Es zeigte sich, dass nach der Dauer der kompletten Dosisverabreichung in beiden Gruppen vergleichbare Ferritin-Werte erreicht wurden. Die Verträglichkeit bzw. das Ausmaß gastrointestinaler Beschwerden war bei der alternierenden Gabe jedoch besser. Das heißt, dass es bei dieser Art der Eisengabe zu einer Anhebung der Eisenwerte in akzeptabler Zeit (180 Tage) und zu einer Verbesserung der Compliance kam.
Eine weitere Studie befasste sich mit dem Vergleich verschiedener Eisendosierungen hinsichtlich deren Effekt auf die Hepcidin-Antwort [4]. Die Probanden nahmen an jeweils vier aufeinanderfolgenden Tagen entweder kein, 6 mg, 30 mg oder 60 mg Eisen ein – mit je 48 Stunden Pause zwischen den Einnahmeepisoden. An jedem Testtag fanden zwei Blutabnahmen statt, um die Hepcidin-Konzentration im Plasma zu bestimmen. Hier ergab sich ein dosisabhängiger Anstieg des Hepcidins: Während sich bei 0 mg Eisen keine signifikante Änderung der Hepcidin-Konzentration im Tagesverlauf zeigte, führte die 60 mg-Gabe zu der stärksten Änderung der Hepcidin-Werte. Daraus lässt sich folgern, dass niedrige Eisendosierungen effizienter und nebenwirkungsärmer sind.
Mit der Frage, ob niedrigere Dosen die Eisenwerte verbessern und dabei zu geringeren, vor allem gastrointestinalen Nebenwirkungen, führen, beschäftigte sich auch eine Studie mit 90 hospitalisierten älteren Patienten mit Eisenmangelanämie, die über zwei Monate eine Eisensupplementierung mit 15 mg, 50 mg oder 150 mg pro Tag erhielten [5]. Dabei zeigte sich: Die Hb- und Ferritin-Werte stiegen bei 15 mg und 50 mg Eisen(II)-Gluconat in flüssiger Darreichung und unter 150 mg Eisen(II)-Calciumcitrat in Tablettenform ähnlich signifikant. Schwarzer Stuhl, meistens begleitet von Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, trat jedoch nur unter den höheren Dosierungen auf. Somit konnte die niedrige Eisendosierung bei signifikant überlegenem Nebenwirkungsprofil die Eisenwerte effektiv verbessern.
Eine weitere Studie hatte das Ziel, die niedrigste Eisendosis zu ermitteln, mit der einem Eisenmangel bzw. einer Eisenmangelanämie bei schwangeren Frauen vorgebeugt werden kann [6]. Die schwangeren Probandinnen (SSW 17–18) wurden in vier Gruppen randomisiert und erhielten 20 mg, 40 mg, 60 mg oder 80 mg Eisen einmal täglich. Die Untersuchungsergebnisse belegen, dass 40 mg Eisen täglich ab der 18. Woche der Schwangerschaft ausreichend zur Eisenprophylaxe, also zur Vorbeugung eines Eisenmangels bzw. einer Eisenmangelanämie bei gesunden Schwangeren, sind. 60 mg und 80 mg täglich zeigten keine zusätzlichen positiven Effekte auf den Eisenstatus. Interessanterweise gab es keine signifikanten Unterschiede in der Häufigkeit von gastrointestinalen Nebenwirkungen zwischen den Gruppen. Aber: Schwarzer Stuhl war dosisabhängig erhöht.
Die Wirksamkeit und die Sicherheit einer Eisen-Langzeit-Therapie bei schwangeren Frauen wurden in einer Studie untersucht, die eine flüssige mit einer festen Darreichungsform verglich [7]. Die Probandinnen (SSW 20–28), bei denen ein Eisenmangel bestand, erhielten entweder Floradix® mit Eisen 3 x täglich 15 ml, entsprechend 36,8 mg Eisen / d, oder ferro sanol® duodenal mite 50 mg 1 x täglich eine Kapsel, entsprechend 50 mg Eisen / d. Die Untersuchung zeigte: In beiden Gruppen stiegen der Hb- und der Ferritin-Wert. Dabei erhöhten sich beide Werte in der Gruppe der flüssigen Darreichungsform stärker und schneller als in der Gruppe mit der Kapsel-Einnahme (▶ Abb. 3). Beim Hb-Wert war dieser Unterschied sogar signifikant, obwohl die Tagesdosis mit 36,8 mg Eisen etwas niedriger war als bei den Kapseln. Insgesamt bestanden eine allgemein gute Verträglichkeit sowie eine gute Compliance.
Forderung nach Leitlinien
Dr. Paulus betonte die Wichtigkeit, den Eisenhaushalt im Schwangerschaftsverlauf regelmäßig zu prüfen, da die Häufigkeit eines Eisenmangels von Trimenon zu Trimenon ansteige (von 6,9 % über 14,3 % bis hin zu 28,4 %), wie ein großes US-amerikanische Kollektiv zeige [8]. Demnach werde die Gesamtprävalenz eines Eisenmangels während der Schwangerschaft auf fast 18 % geschätzt und etwa 5 % der schwangeren Frauen leiden an einer Eisenmangelanämie.
Im Unterschied zu Deutschland empfiehlt die amerikanische Leitlinie eine niedrigdosierte Eisensupplementierung bereits ab dem ersten Trimenon, um die Prävalenz mütterlicher Anämie bei der Entbindung zu reduzieren [9]. Bei einem Nichtansprechen auf die orale Gabe oder Unverträglichkeiten sowie bei einem schweren Eisenmangel im letzten Trimenon könne eine parenterale Eisengabe in Betracht gezogen werden.
Grundsätzlich waren sich die Expertinnen und Experten darüber einig, dass eine Leitlinie zur Eisensupplementierung in der Schwangerschaft sinnvoll sei, um für Kliniken und Praxen eine einheitliche Orientierungsgrundlage zu schaffen – sei es zur Diagnose oder zur Therapie eines möglichen Eisenmangels. Dass insbesondere bei der Behandlung verbindliche Empfehlungen hilfreich wären, auch um entsprechende Maßnahmen gegenüber den Krankenkassen rechtfertigen zu können, betonte auch Anna Stamm.
Wünschenswert wäre, so die Round-Table-Teilnehmenden, dass sich die zuständigen Fachgesellschaften, wie die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG) und evtl. auch die Deutsche Gesellschaft für Perinatale Medizin e. V. (DGPM), möglichst zeitnah mit der Erstellung einer Leitlinie befassen. Daran könnte sich auch der Deutsche Hebammenverband e. V. (DHV) beteiligen.
Bessere Eisenaufnahme durch Lactoferrin
Als Möglichkeit, die Eisendosis bei Beschwerden gering halten oder Patientinnen und Patienten mit chronischen Entzündungen wirksamer therapieren zu können, wurde die Gabe des Glykoproteins Lactoferrin diskutiert. Im Rahmen dessen positiver Wirkung auf entzündliches Geschehen aufgrund seiner immunmodulierenden Eigenschaften kann es den Botenstoff IL-6 reduzieren, wodurch wiederum der Hepcidin-Spiegel gemindert wird. Dies führt dazu, dass Eisen besser verwertet werden kann.
Lactoferrin hat keine bekannten Nebenwirkungen und kann nicht nur die Verwertung, sondern auch die Verträglichkeit von oral eingenommenem Eisen unterstützen sowie bei Bedarf bei nahezu allen Patientengruppen als zusätzlicher Baustein in der Eisentherapie zum Einsatz kommen (Ausnahme: Vorliegen einer Unverträglichkeit gegenüber Milcheiweißen).
Eine Studie mit schwangeren Frauen, die 30 Tage lang entweder Lactoferrin (200 mg / Tag) oder Eisensulfat einnahmen (156 mg Eisen / Tag) [10], zeigte, dass die Gabe von Lactoferrin zu einer stärkeren Erhöhung von Hämoglobin sowie zu einer signifikanten Erhöhung von Serum-Eisen und Serum-Ferritin führte (+114 %, +209 %) (▶ Abb. 4). Zudem konnte IL-6 in der Lactoferrin-Gruppe gesenkt werden.
Fazit
Die Round-Table-Expertinnen und -Experten kamen überein, dass es unbedingt notwendig ist, potenzielle Risikogruppen für einen Eisenmangel und damit Zielpersonen für eine Eisensupplementierung frühzeitig zu identifizieren. Eine niedrig-dosierte Behandlung bietet dabei eine wirksame Behandlungsoption mit geringem Nebenwirkungspotenzial und guter Compliance. Zudem böten Leitlinien zum Thema „Eisen in der Schwangerschaft“ mehr Sicherheit für Praxis und Klinik.
Anne Göttenauer
Literatur:
1. Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen – Langversion 1.4, 2022, AWMF Registernummer: 032/054OL
2. Kaushansky K, Kipps TJ. Hematopoietic Agents: Growth Factors, Minerals, and Vitamins. Goodman & Gilman‘s: The Pharmacological Basis of Therapeutics, 13e. McGraw Hill; 2018
3. Siebenthal H et al. Alternate day versus consecutive day oral iron supplementation in iron-depleted women: a randomized double-blind placebo-controlled study. eClinicalMedicine 2023; 65: 102286
4. Karczewski M et al. The magnitude of the plasma hepcidin response to oral iron supplements depends on the iron dosage. Swiss medical weekly. 2024; 154: 3635
5. Rimon E et al. Are we giving too much iron? Low-dose iron therapy is effective in octogenerians. Clinical research study. Am J Med 2005; 118: 1142–1147
6. Milman N et al. Iron prophylaxis during pregnancy – How much iron is needed? A randomized dose-response study of 20–80 mg ferrous iron daily in pregnant women. Acta Obstet Gynecol Scand 2005; 84(3): 238–247
7. Hanusch CA et al. Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit einer Eisen-Langzeit-Therapie bei schwangeren Frauen. gyne 2017; 38, Heft 5
8. Mei Z et al. Assessment of iron status in US pregnant women from the National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES), 1999–2006. Am J Clin Nutr. 2011 Jun; 93(6): 1312–1320
9. Anemia in Pregnancy: ACOG Practice Bulletin, Number 233. Obstet Gynecol. 2021; 138(2): e55–e64
10. Paesano R. et al. Lactoferrin efficacy versus ferrous sulfate in curing iron disorders in pregnant and non-pregnant women. Int J Immunopathol Pharmacol. (2010); 23:577–587
Quelle: Experten-Round-Table von Salus, Frankfurt am Main, 28. März 2025
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