Das duktale Carcinoma in situ (DCIS), eine häufige bei der Mammografie entdeckte Krebsvorstufe, erfordert möglicherweise keine sofortige Operation. In einer randomisierten Studie kam es unter einem aktiven Monitoring mit zweimal jährlichen Mammografien nicht häufiger zu einem invasiven Karzinom als unter einer leitlinienkonformen Therapie mit Entfernung des Tumors und eventueller Radiotherapie.
Die Ergebnisse wurden auf dem diesjährigen San Antonio Breast Cancer Symposium vorgestellt und im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2024; DOI: 10.1001/jama.2024.26698) publiziert.
Bei einem DCIS sind die Krebszellen noch nicht in das umgebende Gewebe eingedrungen und es erscheint möglich, dass die Tumore nicht weiter wachsen oder sich sogar spontan zurückbilden. Eine sofortige Operation könnte deshalb eine Übertherapie sein. Auf der anderen Seite gilt das DCIS als unberechenbar.
Nicht selten stellt sich bei der Operation heraus, dass der Tumor, der bei der Biopsie als DCIS eingestuft wurde, doch ein invasives Karzinom ist. Und selbst nach der chirurgischen Entfernung eines bestätigten DCIS kommt es bei vielen Patientinnen in den Folgejahren zu einem erneuten Brustkrebs, der dann häufig zu einem aggressiven Wachstum neigt.
Die Editorialistin Monica Morrow vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York erinnert daran, dass in der ECOG-ACRIN E5194-Studie 14,4 % der Patientinnen in den folgenden zwölf Jahren an einem Rezidiv und 7,5 % an einem invasiven Karzinom erkrankten, obwohl das DCIS in der Größe von weniger als 2,5 cm mit einem Sicherheitsabstand von 3 mm komplett entfernt worden war (Journal of Clinical Oncology 2015; DOI: 10.1200/JCO.2015.60.8588).
In der RTOG 9804-Studie kam es 15 Jahre nach der Operation bei 15,1 % zum Rezidiv und bei 9,5 % zu einem invasiven Karzinom (Journal of Clinical Oncology 2015; DOI: 10.1200/JCO.21.01083). Die Leitlinien empfehlen deshalb, ein DCIS zu entfernen und eventuell eine Bestrahlung der Brust anzuschließen.
Die COMET-Studie („Comparing an Operation to Monitoring with or without Endocrine Therapy“), die an 100 Zentren in den USA 957 Patientinnen mit DCIS auf ein aktives Monitoring oder auf eine leitlinienkonforme Therapie randomisiert hat, war deshalb ein gewagtes Unternehmen.
Vorsichtshalber wurde die Teilnahme auf Frauen ab 40 Jahren beschränkt, deren DCIS ein günstiges histologisches Grading (I oder II) aufwies und deren Zellen hormonrezeptorpositiv waren. Das aktive Monitoring bestand aus Mammografien im Abstand von sechs Monaten, um bei einem Wachstum rasch operieren zu können.
Die leitlinienkonforme Behandlung bestand aus einer brusterhaltenden Operation oder einer Mastektomie. Auch eine Hormontherapie war erlaubt. Es gab keine Beschränkungen hinsichtlich der Größe der DCIS-Läsionen. Bei einer Größe von 4 cm oder mehr mussten jedoch mindestens zwei Stanzbiopsien durchgeführt werden, um ein invasives Karzinom auszuschließen.
Wie Shelley Hwang von der Duke Universität in Durham/North Carolina und Mitarbeiter berichten, kam es in den ersten beiden Jahren in der „Intention-to-treat“-Analyse in der Gruppe mit leitlinienkonformer Behandlung bei 5,9 % der Patientinnen zu einem invasiven Karzinom gegenüber 4,2 % in der Gruppe mit aktiver Überwachung. Die Frauen, die nicht sofort operiert wurden, hätten demnach sogar einen leichten Vorteil.
Allerdings hielten sich nicht alle Frauen (und Behandelnde) an die Vorgaben. Von den Frauen, die einer leitlinienkonformen Behandlung zugeteilt wurden, hatten sich nach zwei Jahren erst 56 % der verordneten Operation unterzogen.
In der Untergruppe, die tatsächlich operiert wurde, betrug die 2-Jahres-Rate eines invasiven Karzinoms 8,7 % (95-%-Konfidenzintervall, 5,06 % bis 12,21 %). In der Gruppe mit aktivem Monitoring hatten sich einige Frauen doch für eine frühzeitige Operation entschieden.
Bei den 86 %, die nach sechs Monaten mit dem aktiven Monitoring begannen, betrug die 2-Jahres-Rate auf ein invasiven Karzinom 3,1 % (2,31–6,0 %). Auch dieser Vergleich spricht für eine abwartende Haltung. Für Hwang zeigen die Ergebnisse, dass für einige Frauen mit DCIS mit geringem Risiko das aktive Monitoring eine sichere und nicht minderwertige Alternative zu Operation und Bestrahlung sein kann.
Nach Ansicht der Editorialistin Morrow wird sich diese Frage erst in einigen Jahren beantworten lassen, da das DCIS typischerweise zu einem langsamen Wachstum neigt.
Eine begleitende Studie hat die Auswirkungen des aktiven Monitorings auf die Psyche der Patientinnen untersucht. Die Teilnehmerinnen hatten zu Studienbeginn, nach sechs Monaten, einem Jahr und zwei Jahren Fragebögen zur Lebensqualität (einschließlich körperlicher und geistiger Komponenten), Angstzuständen, Depressionen, Sorgen über DCIS und Symptomen im Zusammenhang mit der Brustkrebsbehandlung einschließlich Schmerzen ausgefüllt.
Nach den jetzt von Ann Partridge vom Dana-Farber Cancer Institute in Boston und Mitarbeitern in JAMA Oncology (2024; DOI: 10.1001/jamaoncol.2024.6556) publizierten Ergebnissen kam es zu keinen auffälligen Belastungen. Im Gegenteil: Unter den Patientinnen, die sich der leitlinienkonformen Behandlung unterzogen, deuteten ungünstige Werte zu depressiven Verstimmungen auf ein langfristig höheres Risiko auf eine Depression hin.
Quelle: aerzteblatt.de (bearbeitet)