Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft an einer Grippe erkrankt waren, leiden in den ersten Lebensjahren häufiger unter Fieberkrämpfen. Ein Anstieg von ernsthaften Epilepsien war in einer bevölkerungsbasierten Studie aus Taiwan in JAMA Network Open jedoch nicht nachweisbar.
Die immunologischen und physiologischen Veränderungen in der Schwangerschaft erhöhen das Risiko auf Atemwegserkrankungen. Die Folgen für die Feten sind erst ansatzweise erforscht. Bei systemischen Infektionen wie der Influenza könnten die Viren theoretisch in den Kreislauf des Kindes gelangen. Auch die Abwehrreaktion des Immunsystems könnte dem Feten schaden. Als besonders empfindlich gilt das Gehirn, das sich vor allem im dritten Trimenon stark vergrößert.
Ein Team um Ming-Chih Lin von der Kinderklinik in Taichung in Taiwan hat dazu die „Maternal and Child Health Database“ (MCHD) des Landes ausgewertet. Die MCHD ist mit anderen Datensätzen, etwa dem Geburtsregister, dem Sterberegister und der nationalen Krankenversicherung verlinkt, in der 99 % der Bevölkerung Mitglied sind.
Zwischen 2004 und 2013 haben in Taiwan 1,3 Millionen Frauen ihr erstes Kind bekommen. Darunter waren 75.835 Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft an einer Grippe erkrankt waren. Lin verglich die Häufigkeit von Krampfanfällen bei diesen Kindern mit jeweils vier Kindern, deren Mütter in der Schwangerschaft nicht an einer Grippe erkrankt waren. Dabei achtete der Forscher darauf, dass sich beide Gruppen in möglichst vielen Eigenschaften wie Alter der Mutter, Familieneinkommen, Stadt-/Landherkunft, Schwangerschaftskomplikationen, Art der Geburt sowie Gewicht und Geschlecht des Kindes glichen. Das gelang nicht ganz. In der Influenzagruppe gab es im Vergleich zur Kontrollgruppe eine etwas höhere Prävalenz von Plazenta praevia oder Plazentaabbruch (1,6 % versus 1,4 %).
Dies dürfte allerdings nicht erklären, warum es in der Influenzagruppe häufiger zur Diagnose von Krampfanfällen kam. Lin ermittelt eine adjustierte Hazard Ratio von 1,09. Diese war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,05 bis 1,14 signifikant. Der Anstieg beschränkte sich allerdings auf Fieberkrämpfe, für die Lin eine adjustierte Hazard Ratio von 1,11 (1,06–1,17) ermittelte. Für Epilepsien, die häufiger eine organische Ursache haben und lebenslang bestehen können, war das Risiko mit einer adjustierten Hazard Ratio von 1,04 (0,97–1,13) nicht signifikant erhöht.
Die Ergebnisse sind auch deshalb beruhigend, weil Lin für das dritten Trimenon, der Phase des stärksten Hirnwachstums, kein höheres Risiko fand als im ersten Trimenon, in dem sich die embryologische Anlage des Gehirns entwickelt.
Andere Faktoren wie Schwangerschaftshypertonie (Hazard Ratio 1,78; 1,18–2,69), Kaiserschnittentbindung (Hazard Ratio 1,09; 1,05–1,14) männliches Geschlecht des Kindes (Hazard Ratio 1,28; 1,23–1,32), geringes Geburtsgewicht (Hazard Ratio 1,27; 1,17–1,38) und Frühgeburten (Hazard Ratio 1,23; 1,14–1,33) hatten einen vergleichsweise größeren Einfluss auf die Häufigkeit von Krampfanfällen bei den Kindern. Insgesamt dürfte deshalb eine Influenza in der Schwangerschaft kein ernsthaftes Risiko für die Hirnentwicklung des Kindes sein.
Quelle: rme/aerzteblatt.de