{"id":658,"date":"2025-02-13T11:19:16","date_gmt":"2025-02-13T10:19:16","guid":{"rendered":"https:\/\/gyne.de\/?p=658"},"modified":"2025-02-13T11:19:18","modified_gmt":"2025-02-13T10:19:18","slug":"aerzte-fordern-schutz-und-klare-regeln-bei-fgm-begutachtung","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/gyne.de\/aerzte-fordern-schutz-und-klare-regeln-bei-fgm-begutachtung\/","title":{"rendered":"\u00c4rzte fordern Schutz und klare Regeln bei FGM-Begutachtung"},"content":{"rendered":"\n
Am 06. Februar 2025 war der internationale Tag gegen weibliche Genitalverst\u00fcmmelung (FGM), eine Menschenrechtsverletzung mit schwerwiegenden und langfristigen gesundheitlichen Folgen f\u00fcr Frauen und M\u00e4dchen. In Deutschland versorgen Frauen\u00e4rztinnen und Frauen\u00e4rzte betroffene Patientinnen medizinisch. Sie stehen auch zur fach\u00e4rztlichen Begutachtung zur Verf\u00fcgung, die f\u00fcr die asylrechtliche Beurteilung der Betroffenen durch das Bundesamt f\u00fcr Migration und Flucht (BAMF) eine zentrale Rolle spielt. Der Berufsverband der Frauen\u00e4rzte e. V. (BVF) fordert mit Blick auf die betroffenen Patientinnen sowie die versorgende Facharztgruppe eine umfassende Anerkennung von drohenden und erlittenen gesundheitlichen Folgen von FGM und weiterbestehenden Risiken. Die Tatsache, dass in vielen F\u00e4llen nur eine drohende FGM als Asylgrund anerkannt wird, aber eine bereits erlittene Genitalverst\u00fcmmelung nicht als ausreichender Grund f\u00fcr einen Schutzstatus gilt, ist aus medizinischer Sicht inakzeptabel und steht im Widerspruch zu dem Bekenntnis, Frauen und M\u00e4dchen vor geschlechtsbezogener Gewalt zu sch\u00fctzen. Nur im Fall einer konsequenten Anerkennung der Gefahren durch FGM, werden Frauen\u00e4rztinnen und Frauen\u00e4rzte weiterhin f\u00fcr die Erstellung medizinischer Gutachten f\u00fcr Asylverfahren zur Verf\u00fcgung stehen.<\/strong><\/p>\n\n\n\n Durch Migration, mitgebrachte Erfahrungen und kulturell verwurzelte Rituale ist weibliche Genitalverst\u00fcmmelung (Female Genital Mutilation, FGM) auch in Deutschland ein Thema. Hier leben sch\u00e4tzungsweise gut 100.000 M\u00e4dchen und Frauen, die von verschiedenen Formen der Genitalverst\u00fcmmelung betroffen sind. FGM beinhaltet sowohl die Beschneidung (Entfernung von Teilen oder der gesamten Klitoris und\/oder Schamlippen) als auch das Zun\u00e4hen der Vagina, um diese zu verengen, was als Infibulation bezeichnet wird [1]. Die genitale Verst\u00fcmmelung ist eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte und z\u00e4hlt zu den geschlechtsspezifischen Verfolgungsgr\u00fcnden [2]. FGM kann vielf\u00e4ltige akute medizinische Probleme verursachen und insbesondere auch schwerwiegende physische und psychische Langzeitfolgen nach sich ziehen. Lebenslang ist das Risiko f\u00fcr gesundheitliche Probleme erh\u00f6ht, insbesondere geburtsbegleitende Komplikationen sowie vielseitige Beeintr\u00e4chtigung, z.\u00a0B. bei gyn\u00e4kologischen Untersuchungen, der Nutzung von Optionen zur Empf\u00e4ngnisverh\u00fctung oder dem Einsatz von Hygieneartikeln [1].<\/p>\n\n\n\n Zudem bestehen Risiken, dass FGM mehrmals im Leben vorgenommen wird. \u201eFGM ist oftmals kein einmaliges Ereignis in der Biografie der M\u00e4dchen und Frauen. Das \u00d6ffnen und die Wiederverengung der Vaginal\u00f6ffnung kann sich in verschiedenen Lebenssituationen wiederholen \u2013 etwa zum Geschlechtsverkehr oder im Rahmen eines Geburtsvorgangs\u201c, erl\u00e4utert Sanit\u00e4tsrat Dr. Werner Harlfinger vom BVF. \u201eAuch Beschneidungen werden mitunter mehrmals durchgef\u00fchrt.\u201c Jede Wiederholung von FGM ist mit zus\u00e4tzlichen Risiken und Komplikationen verbunden, eine wiederholte Traumatisierung kann sowohl physische als auch psychische Folgen verst\u00e4rken.<\/p>\n\n\n\n Frauen\u00e4rztinnen und -\u00e4rzte sind darauf spezialisiert, die komplexen geschlechtsspezifischen medizinischen Belange von M\u00e4dchen und Frauen umfassend zu beurteilen. Sie sind unmittelbar mit dem Leid und Unrecht konfrontiert, das FGM-betroffenen M\u00e4dchen und Frauen widerfahren ist und nehmen bei der Attestierung von FGM im Rahmen der asylrechtlichen Beurteilung durch das BAMF eine Schl\u00fcsselposition ein [3]. \u201eDie medizinische Begutachtung von FGM kann f\u00fcr die Lebensperspektive der betroffenen Frauen weichenstellend sein, allerdings sind die Auslegungen des BAMF bez\u00fcglich der Schutzbed\u00fcrftigkeit hier erfahrungsgem\u00e4\u00df unterschiedlich und folgen keinen einheitlichen Regeln. Die Tatsache, dass in vielen F\u00e4llen nur eine drohende FGM als Asylgrund anerkannt wird, nicht aber eine bereits erlittene Genitalverst\u00fcmmelung, ignoriert die problematischen Folgen von FGM, ebenso wie die Gefahr f\u00fcr M\u00e4dchen und Frauen, im Laufe ihres Lebens erneut FGM erleben zu m\u00fcssen\u201c, betont der rheinland-pf\u00e4lzische Sanit\u00e4tsrat. Frauen\u00e4rztinnen und Frauen\u00e4rzte geraten hier in ein Dilemma, da sie bei der Erstellung von medizinischen Gutachten aufgrund von vorliegender FGM eine vorhandene Schutzw\u00fcrdigkeit annehmen, die allerdings von Fall zu Fall und individuellem Sachverhalt (u. a. Heimatland, famili\u00e4rer R\u00fcckhalt, Geb\u00e4rf\u00e4higkeit) auch eine Basis f\u00fcr Abschiebungen darstellt. \u201eFrauen\u00e4rztinnen und Frauen\u00e4rzte werden hier nicht l\u00e4nger Gutachten ausstellen, wenn dann die Attestierung einer Verst\u00fcmmelung als Grund f\u00fcr eine Zur\u00fcckweisung herangezogen wird, weil den Frauen vermeintlich kein Leid mehr droht\u201c, kritisiert der Gyn\u00e4kologe. \u201eWir k\u00f6nnen uns hier nicht instrumentalisieren lassen.\u201c<\/p>\n\n\n\n F\u00fcr die versorgende fach\u00e4rztliche Gruppe der Frauen\u00e4rztinnen und Frauen\u00e4rzte, denen das Wohl und die Sicherheit ihrer Patientinnen am Herzen liegt, ist ein Zustand inakzeptabel, der keine Sicherheit bez\u00fcglich des \u00e4rztlichen Handelns und dessen Konsequenzen gew\u00e4hrleistet. F\u00fcr die praktische Umsetzung von \u00e4rztlichen Attesten, die \u00fcber die asylrechtliche Schutzbed\u00fcrftigkeit von M\u00e4dchen und Frauen entscheiden, sind einheitliche Regelungen notwendig, welche die gesundheitlichen Gefahren und Risiken durch drohende und erlittene FGM anerkennen und an denen sich alle Beteiligten klar orientieren k\u00f6nnen. Der BVF fordert hier dringend mehr Transparenz und Klarheit.<\/p>\n\n\n\n Mit der \u201eIstanbul Konvention\u201c als v\u00f6lkerrechtliches Abkommen hat sich Deutschland rechtlich verpflichtet, umfassende Ma\u00dfnahmen zur Bek\u00e4mpfung von Gewalt gegen Frauen zu ergreifen und aktiv gegen Menschenrechtsverletzung vorzugehen. Sie stellt ein umfassendes rechtliches Instrument zur Bek\u00e4mpfung geschlechtsspezifischer Gewalt im europ\u00e4ischen Raum dar [4]. Vor diesem Hintergrund fordert der BVF, dass neben drohender FGM auch die schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen einer erlittenen FGM st\u00e4rker ber\u00fccksichtigt werden m\u00fcssen, ebenso wie das Risiko wiederholter FGM. Notwendig sind f\u00fcr Frauen\u00e4rztinnen und Frauen\u00e4rzte ausreichende Klarheit bez\u00fcglich der asylrechtlichen Einordnung von medizinischer Begutachtung, um diese Leistung mit ihren ethischen Grunds\u00e4tzen vereinbaren zu k\u00f6nnen und sie auf dieser Grundlage auch k\u00fcnftig weiter zur Verf\u00fcgung stellen zu k\u00f6nnen.<\/p>\n\n\n\n Quelle: Pressemitteilung des BVF e. V. <\/p>\n\n\n\n Literatur: <\/p>\n\n\n\n <\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Die weibliche Genitalverst\u00fcmmelung (FGM) ist eine Menschenrechtsverletzung mit schwerwiegenden Folgen. 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f\u00fcr die Versorgenden<\/h3>\n\n\n\n\n
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